Essen. Im Sommer ist Luis (2) aus Essen an der Hitze in seinem Kinderzimmer gestorben. Jetzt beginnt der Mord-Prozess gegen seinen Vater.
Sein Leben lag vor ihm, doch der kleine Luis durfte nicht einmal drei Jahre alt werden. In der Nacht zum 27. Juli 2019 erlag er in seinem Altenessener Kinderzimmer der tödlichen Hitze in der Dachgeschosswohnung. Kreislaufversagen, Hitzetod, so lautet das Ergebnis der Obduktion. Verantwortlich dafür soll der Vater des Kindes sein. Ab Donnerstag muss sich der heute 32 Jahre alte Benjamin S. vor dem Essener Schwurgericht verantworten. Auf Mord lautet die Anklage.
- So lief der erste Prozesstag: Luis’ Hitzetod vor Gericht: Mutter vor Falschaussage gewarnt
„Grausamkeit“ wirft Staatsanwältin Elke Hinterberg ihm vor. Denn er habe den Jungen nachts bei Außentemperaturen von rund 30 Grad in einem überhitzten Zimmer sich selbst überlassen. Ihm die Möglichkeit genommen, den Raum zu verlassen, ins Wohnzimmer zu gehen, wo der Vater unter dem Deckenventilator lag. Eingesperrt sei Luis gewesen, weil Benjamin S. die Innenklinke an der Tür des Kinderzimmers abmontiert habe.
Bekannte erzählen: Eltern waren überfordert
Das grausame Sterben des kleinen Luis hatte die Menschen geschockt. Was ist das für eine Familie, was für ein Vater? Neun Jahre älter ist er als die Mutter der drei gemeinsamen Kinder. Vor zehn Jahren hatte er die damals 14-Jährige kennengelernt. Sie sollte ins Heim, zog aber zu ihm und seiner Mutter. 2014 kam eine Tochter zur Welt, 2016 Luis, 2017 eine weitere Tochter. Die Familie lebte von Hartz IV. Benjamin S. und seine Lebensgefährtin hatten die Förderschule besucht, ohne Abschluss. Beruflich fassten sie nie Fuß. Isoliert lebten sie nicht. Die Kinder gingen in Altenessen zur Kindertagesstätte. Verwandte hielten Kontakt, kümmerten sich zeitweise um die Kinder.
Einige, die die Familie kennen, erzählen, das Paar sei überfordert gewesen. Bei Luis sei die Innenklinke der Tür abmontiert worden, weil er oft das Zimmer verließ. Ohrfeigen hätten Vater und Mutter den Kindern schon mal verpassten. Von einer unordentlichen Wohnung wird erzählt, ein Nachbar rief die Polizei. Das Jugendamt kam, doch eine Erziehungshilfe war erst für August geplant. Da war Luis tot.
Verwahrloste Wohnung, überall Windeln
Die Einsatzkräfte vor Ort sprachen von einer verwahrlosten Wohnung, die nach Urin und Kot stank. Und überall gebrauchte Windeln.
Gescheitert war die Beziehung Anfang 2019. Die Mutter hatte einen neuen Freund, besuchte ihn häufiger. Aber auch Benjamin S. traf sich im Laufe des Jahres mit einer anderen Frau. Meist blieb er mit den Kindern alleine, tauchte bei seiner Mutter auf, bat um Hilfe.
Prozess gegen den Vater: Gericht plant sechs Verhandlungstage
Am 25. Juli 2019, einem Donnerstag, war die 23-Jährige nach Duisburg gefahren. Ohne Kinder. Sonntags wollte sie zurück in Altenessen sein, erzählt ihr Anwalt Michael W. Nierfeld. Mehrfach täglich, so betont er, habe sie Benjamin S. angerufen und gefragt, wie er mit den Kindern zurecht komme. Nierfeld: „Sie war sich sicher, dass es den Kindern gut geht.“ Völlig überrascht habe sie am Samstag, 27. Juli, der Anruf ihres Ex-Freundes, dass Luis tot vor seinem Kinderbettchen lag.
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Sechs Verhandlungstage plant das Essener Schwurgericht, um zu klären, wer für den Tod von Luis verantwortlich ist. Dabei hat es mit rechtlichen Hinweisen aufgezeigt, dass der Fall juristisch nicht leicht zu bewerten sei. Möglich sei natürlich eine Verurteilung wegen Mordes, aber auch wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder Verursachung des Todes durch Einsperren.
Strafverfahren gegen die Mutter ist eingestellt worden
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Gegen die Mutter des Kindes hatte die Staatsanwaltschaft ebenfalls ermittelt, das Verfahren aber eingestellt. Ob die Türklinke auch schon früher mit dem Wissen der Mutter abmontiert war, dazu will Nierfeld sich nicht weiter äußern. Er habe seine Mandantin als „liebevolle, fürsorgliche Mutter“ erlebt. Sie hoffe auf Klarheit durch das Gerichtsverfahren: „Sie sagt, der Kindsvater solle bestraft werden – wenn er sich denn strafbar gemacht hat.“ Aus seiner Sicht ist es „durch eine Verkettung sehr unglücklicher Umstände“ zum Tod gekommen.
Rechtsanwalt Bernd Kachur verteidigt Benjamin S., den Vater. Auch er hat seinen Mandanten als „fürsorglichen Vater“ kennengelernt. Kachur will nur wenig sagen, spricht von einem „Unfallgeschehen“. Benjamin S. werde vor Gericht erst einmal schweigen. Soviel will der Verteidiger aber vorab sagen: „Mein Mandant sieht sich nicht als Mörder.“