Essen. OB Kufen hat Autofahrer in Essen zu einem Umstieg aufgefordert. In einer Rede beim Handelsverband fand er dazu überraschend deutliche Worte.
Mit deutlichen Worten dringt Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) auf eine Verkehrswende in Essen . „Es führt kein Weg daran vorbei. Wir werden die Verkehrswende gestalten müssen“, sagte Kufen am Montagabend auf dem Neujahrsempfang des Einzelhandelsverbandes. Dieser hatte zuvor seine Kritik an der geplanten Umweltspur und der Beschränkung des Durchgangsverkehrs auf der Rüttenscheider Straße nochmals bekräftigt.
Kufen hielt den Skeptikern entgegen, dass eine Zurückdrängung des Autoverkehrs aus seiner Sicht nicht zu Lasten der Qualität einer Stadt gehe. Nach der jüngsten Erhebung hat der private Autoverkehr in Essen einen Anteil von 55 Prozent. Damit stehe Essen an der Spitze aller deutschen Großstädte. Doch Städte wie Leipzig oder Frankfurt mit deutlich weniger motorisiertem Individualverkehr als Essen seien deshalb ja nicht weniger attraktiv, so der OB.
Essens OB Kufen zu Kurzfahrten mit dem Auto: „Ihr habt sie nicht alle“
Kufen ließ keinen Zweifel daran, dass er die Essener zum Umstieg bringen will. „Wir brauchen mehr ÖPNV, mehr Radverkehr und mehr Fußgänger“, sagte er.
Derzeit werde in Essen von den kurzen Strecken unter einem Kilometer jede vierte mit dem Auto erledigt*. Diesen Leuten, so Kufen, müsse man sagen: „Ihr habt sie nicht alle!“ Bereits bei einem Empfang der Kreishandwerkerschaft am Montagmorgen hatte er betont: Eine lebenswerte Stadt zu sein heiße nicht, autofreundlich zu sein.
Vor den Vertretern des Einzelhandels zeigte sich der OB entschlossen, die Verkehrswende in Essen voranzutreiben. Er sprach von einer wichtigen Richtungsentscheidung. „Wir müssen diese jetzt diskutieren und wir wollen sie diskutieren.“ Am Ende seiner Rede ging Kufen jedoch auf die Kritiker zu, indem er zusicherte: „Wir wollen einen offenen Dialog führen.“ Der gesellschaftliche Konsens sei ihm wichtig.
Einzelhandelsverband bezweifelt Effekt der Umweltspur
Der Einzelhandelsverband Ruhr hatte zuvor die Wirkung der geplanten Umweltspur bezweifelt und außerdem vor den Folgen der Verkehrsbeschränkungen auf der Rüttenscheider Straße gewarnt.
Bei der Umweltspur sieht der Verband vor allem kritisch, dass sich Busse und Radfahrer eine Spur teilen müssen und ein Teilstück so schmal ist, dass Busse Radfahrer dort nicht überholen können. Dazu sagte der Verbandsvorsitzende Hartmut Buhren: „Sicherlich wird der Autofahrer Bussen neidvolle Blicke zuwerfen, wenn diese in hoher Taktung auf der Umweltspur an seinem stehenden Fahrzeug vorbeirauschen. Dies wird er allerdings nicht mehr tun, wenn die Busse kaum schneller als er vorankommen, weil sie durch dort ebenfalls zugelassene Radfahrer ausgebremst werden.“
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Buhren regte daher an, Fahrräder auf der Umweltspur zu verbieten, um dem ÖPNV eine zügige Fahrt zu ermöglichen. Nur so könne seine Attraktivität gesteigert werden. „An solchen Punkten wird eine Diskussion aber mitunter sperrig“, sagte er in Richtung Fahrradlobby.
Einzelhandel sieht gutlaufende Rüttenscheider Straße in Gefahr
Bei den geplanten Verkehrseinschränkungen auf einem Teilstück der Rüttenscheider Straße erneuerte der Verband seine großen Bedenken. Er sieht einen der letzten gewachsenen Einzelhandels- und Gastrostandorte in der Region in Gefahr. Dass solche Standorte gut funktionieren, liege auch daran, dass man dort mit dem Auto bis vor das Geschäft bzw. die Kneipe fahren kann, mahnte Buhren.
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Die Stadt plant, auf der Rüttenscheider Straße zwischen Stern und Martinstraße den Durchgangsverkehr herauszuhalten und so den Radverkehr zu fördern. Neben dem Einzelhandelsverband ist auch die Interessengemeinschaft Rüttenscheid gegen solche Einschnitte.
*In einer früheren Fassung stand, dass jede vierte Fahrt, die in Essen mit dem Auto erledigt wird, kürzer als einen Kilometer ist. Das hat die Redaktion korrigiert.