Essen. Essener Familien, die erfolglos einen Kitaplatz suchen, fühlen sich alleingelassen. Die Stadt kündigt 1500 neue Plätze an - aber erst Mitte 2021.
In Essen fehlen etwa 2500 Kita-Plätze. In diesen Tagen werden die ersten Absagen für das nächste Kita-Jahr verschickt, das im August beginnt. Betroffene Familien fühlen sich alleingelassen.
„Hätte ich gewusst, was hier in Essen für ein Chaos ist, hätte ich meinen Sohn direkt bei seiner Geburt im Jahr 2017 angemeldet.“ Das sagt Mutter Natalina Francese (33), die im Januar 2019 mit Mann und Kind von Mülheim nach Essen zog. Der Junge wird im Sommer drei Jahre alt und soll dann in eine Kita wechseln. Im Moment hat er einen Platz bei einer Tagesmutter in Bergerhausen.
Tagesmütter und -väter betreuen vor allem jüngere Kinder
So genannte „Tagespflegepersonen“, also Tagesmütter und -väter, nehmen bis zu fünf Kinder auf, die in der Regel jünger als drei Jahre sind. Viele Eltern bevorzugen für ihre kleinen Kinder Tagesmütter, weil sie zeitlich flexibler arbeiten als eine Kita. Ende 2019 waren stadtweit knapp 2400 Kinder bei einer Tagesmutter untergebracht. Sie alle sind jünger als drei Jahre. Die Zahl der älteren Kinder, die in Essen von Tagesmüttern betreut werden, liegt um die 560. Diese Zahl wächst: Das ergebe sich „durch jene Kinder, die nach Vollendung des dritten Lebensjahres keinen Anschlussplatz in einer Kita finden“, stellt die Stadtverwaltung fest. So steht es in einer Vorlage mit aktuellen Kitaplatz-Zahlen. Damit beschäftigt sich der Jugendhilfeausschuss am 11. Februar.
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Natalina Francese hat bislang drei Absagen erhalten – und hofft noch: „Es ist allein ein Unding, dass man sein Kind nur in sieben Kitas vormerken darf.“ Das gibt das elektronische Vormerk-Portal „Little Bird“ vor. Ab Anfang März werden die Zusagen verschickt. Absagen dürfen die Kitas schon früher versenden, damit die Eltern Bescheid wissen. „Wie sollen Mütter arbeiten gehen, wenn so eine große Unsicherheit herrscht?“, fragt sich Natalina Francese. Sie selbst und ihr Mann sind berufstätig; sie arbeitet 24 Stunden pro Woche, ihr Mann ist im Schichtdienst. Nur deshalb – wegen des Schichtdienstes – geht die Betreuung des Sohnes derzeit noch gut, „mein Mann ist öfter vormittags zu Hause.“
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Eltern planen, die Stadt zu verklagen
Die Tochter von Vater Damian Kubistin (31) aus Freisenbruch ist mittlerweile vier Jahre alt – und geht immer noch zur Tagesmutter. „Ich zähle die Absagen schon nicht mehr, wir hatten unsere Tochter direkt nach ihrer Geburt für einen Kitaplatz angemeldet“, berichtet der kaufmännische Angestellte. „Bei der Tagesmutter ist unsere Tochter nur von Ein- und Zweijährigen umgeben, das ist nicht besonders gut für ihre Entwicklung.“ Kubistin arbeitet Vollzeit, seine Partnerin Teilzeit, „doch es kann nicht sein, dass wir Steuern zahlen und es keine Betreuung gibt, auf die wir einen Rechtsanspruch haben.“
Sowohl Mutter Natalina Francese als auch Vater Damian Kubistin planen jetzt, die Stadt zu verklagen. „Ich habe von einer Mutter auf dem Spielplatz gehört, dass es dann ganz schnell geht mit dem Kitaplatz“, berichtet Natalina Francese. Und Vater Damian Kubistin hat noch Sorgen: „Ich befürchte, dass ich dann irgendeinen Platz nehmen muss, den ich zugewiesen bekomme.“ Fakt ist aber: Auch bei der Zuweisung eines Platzes nach einer Klage muss die Stadt auf zumutbare Entfernungen zwischen Elternhaus und Kita setzen und darf nicht Familien beliebig weit durch das Stadtgebiet schicken.
Stadt Essen: 1600 neue Plätze bis Mitte 2021
Unterdessen stellt die Stadt in Aussicht, dass im kommenden Kita-Jahr, das von August 2020 bis August 2021 läuft, voraussichtlich 1595 Plätze neu geschaffen werden – und sich die Versorgungslage im Stadtgebiet „deutlich verbessern“ wird. Was für die Eltern, die jetzt Absagen erhalten, obwohl sie dringend auf einen Platz angewiesen sind, nur ein schwacher Trost bedeutet.