Essen. Mit 95 Jahren ist sie die älteste Kandidatin, die es weltweit jemals gab: Die Essenerin Cilli Hagedorn-Benzler trat bei „The Voice Senior“ auf.
Sie widmete ihr ganzes Leben dem großen Auftritt. Cilli Hagedorn-Benzler (95) seht auf der Bühne, seit sie 18 Jahre alt war. Mit 95 nahm sie nun noch einmal einer Fernseh-Castingshow teil: Die Essenerin war bei der letzten Folge von „The Voice Senior“ auf Sat.1 zu sehen.
Eigentlich war es gar nicht ihre eigene Idee. „Meine Freunde Franka und Karl-Heinz Hamm haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Sendung etwas für mich sein könnte“, erzählt Hagedorn-Benzler munter. Und auch wenn einige andere Freunde gefragt hätten, ob sie denn verrückt sei: „Ich habe dann gesagt: Wenn ihr diese ganzen Online-Sachen regelt, mache ich das - ich werde euch nicht blamieren.“
95-Jährige reiste zu den „Blind Auditions“ nach Berlin
Gesagt, getan. Hagedorn-Benzler reiste zu einem Casting in Köln, anschließend zu den „Blind Auditions“ in Berlin. In diesem Teil des TV-Formats hören sich die Juroren Michael Patrick Kelly, Yvonne Catterfeld und Alec Völkel und Sascha Vollmer von The BossHoss die Auftritte der Kandidaten mit dem Rücken zur Bühne an. Wer entscheidet, dass er die Stimme in seinem Team haben will, drückt auf seinen Buzzer, dreht seinen Stuhl in Richtung Bühne und kann den Künstler bei der Performance sehen.
Hagedorn-Benzler stand mit einem ihrer Paradestücke auf der Bühne: dem Chanson „Der erste Lack ist ab“ von Grethe Weiser. „Das Orchester, das Licht, die Atmosphäre - das war schon beeindruckend“, sagt sie im Nachhinein über ihren Auftritt. Umgedreht hat sich jedoch keiner der Juroren. „Ich hatte den Eindruck, dass diese jungen Menschen mit meiner Musik gar nichts anfangen konnten“, so die 95-Jährige.
Älteste Kandidatin, die es bei „The Voice Senior“ jemals gab
Tatsächlich richtet sich „The Voice Senior“ speziell an Künstler über 60 und setzt keine Grenze nach oben - „Eine 95-jährige Kandidatin gab es aber weltweit noch nie“, erzählt Freundin Franka Hamm. Vielleicht sei das der Grund, dass die Juroren eher mit Schlagern wie „Über sieben Brücken“ gerechnet und Hagedorn-Benzlers Song gar nicht gekannt hätten.
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Für die 95-Jährige hat sich der Ausflug in die Hauptstadt trotzdem gelohnt: „Es hat sehr viel Spaß gemacht. Das Team hat sich großartig um mich gekümmert“, sagt sie. Und: „Nach der Ausstrahlung bin ich nicht mehr vom Telefon weggekommen.“ Es hätten viele alte Freunde und Kollegen angerufen, das Feedback sei durchweg positiv gewesen. Sogar ein 67-jähriger Akkordeonspieler meldete sich bei der Seniorin und fragte, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm gemeinsam aufgetreten. „Nach so etwas habe ich die ganze Zeit gesucht“, freut sich Hagedorn-Benzler.
Schon im Vorprogramm von Marlene Dietrich aufgetreten
Man muss es fast nicht mehr erwähnen: Hagedorn-Benzler ist für ihre 95 Jahre noch sehr aktiv. Im Laufe ihres bewegten Lebens tanzte die geborene Oberschlesierin bei der Eröffnung der Olympischen Spiele 1936, reiste mit ihrer damaligen Combo „Eine Stunde Heiterkeit“ an die Kriegsfront, um vor deutschen Wehrmachtssoldaten aufzutreten, und sang und tanzte nach dem Zweiten Weltkrieg in verschiedenen Clubs in Berlin. Einmal performte sie sogar im Vorprogramm von Marlene Dietrich.
Kein Wunder also, dass sie auch mit über 90 Jahren der Bühne noch nicht den Rücken gekehrt hat. Nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes kehrte Hagedorn-Benzler nach Essen zurück, wo sie lange mit ihrem ersten Ehemann, dem NRZ-Karikaturisten Günther „Tüte“ Hagedorn gelebt hatte. 14 Jahre lang betrieb sie die Kultkneipe „Cillis Milljöh“ auf der Rüttenscheider Straße, in der sich Medienvertreter und Künstler die Klinke in die Hand gaben. Seit sie wieder zurück in der alten Heimat ist, tritt sie ehrenamtlich mit der Awo-Musikgruppe „Die Herbstzeitlosen“ in Seniorenheimen auf.
Das Geheimnis ihres langen Lebens: „Ich denke einfach immer positiv.“
Was ist das Geheimnis dieser selbstbewussten Frau, die mit 95 Jahren noch topfit ist, allein in ihrer Wohnung lebt - und sich sogar um ihren 60-jährigen, pflegebedürftigen Sohn kümmert? „Ich denke einfach immer positiv“, sagt Hagedorn schlicht. Besonders die Herausforderungen, mit denen sie als Kind der Kriegsgeneration konfrontiert worden sei, hätten sie gestärkt: „Ich glaube, der Umstand, dass man sich immer wieder neu erfinden und an neue Situation anpassen musste, hat da eine Rolle gespielt.“
Die Prüfstein „Alter“ scheint ihr jedenfalls nicht viel auszumachen. „An meinem 90. Geburtstag hat sich das Alter kurz wie eine Herausforderung angefühlt - die habe ich aber schnell überwunden“, schmunzelt die 95-Jährige.