Essen. Das Essener Seniorenheim St. Maria Immaculata hat einen Filmpreis gewonnen: Beim Caritas Video Award belegte das Team mit seinem Clip Platz 3.
Die Mitarbeiter im Haus St. Maria Immaculata plagt keine Langeweile: Ihr Arbeitstag ist eng getaktet, die Belastung hoch. Trotzdem fand das Team im Frühjahr die Zeit, einen Film zu drehen, in dem der Alltag in dem Borbecker Seniorenheim fröhlich zugespitzt dargestellt wird. Beim Caritas Award belegte der Clip Platz 3, und die Leiterin der Einrichtung Izabela Gierlata hofft, dass seine Botschaft über den Tag hinaus wirkt. „Im Beruf des Altenpflegers bekommt man immer jede Menge Mitleid, aber keinen Respekt. Wir wünschen uns Respekt.“
Darum heißt es in dem Clip, der auf Youtube abgerufen werden kann: „Wir sind keine Fußabtreter. Wir sind keine Wischmöppe und definitiv keine Urin-Kellner.“ Altenpfleger seien es leid, dass über ihre Arbeit die Nase gerümpft werde, etwa wenn es um körperliche Bedürfnisse alter Menschen gehe. „Also ich könnte das nicht!“, sei ein Satz, den Pflegekräfte regelmäßig zu hören bekämen.
Sie nennen sich Schmerzbekämpfer, Hygienefreaks und Glückshersteller
Umso glücklicher ist Izabela Gierlata, dass ihre Mitarbeiter den Beruf mit Freude ausübten. 100 Kräfte kümmern sich um 126 Bewohner; die Fluktuation im Team sei gering. In dem Clip, den sie mit dem Handy gedreht haben, stellen sich die Altenpfleger als Animateure und Therapeuten Seelsorger und Schmerzbekämpfer, Dementen-Versteher, Hygienefreaks und Glückshersteller vor.
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Die launigen Arbeitsplatzbeschreibungen haben sie auf Schilder geschrieben und jeweils mit einem der Bewohner dargestellt. Der Clip bezieht seinen Charme aus diesem Zusammenspiel, etwa wenn Izabela Gierlata als Kneipp-Trainerin einer alten Dame mit der Gießkanne auf den Leib rückt.
„Viele alte Menschen werden nicht mehr angefasst - oder nur mit Handschuhen“
Die Leiterin des Hauses ist überzeugte Kneipp-Anhängerin und setzt die Ideen von der Ernährung über Kräuterheilkunde bis zur Wassertherapie im Pflegealltag um. Längst sind viele aus ihrem Team entsprechend geschult und bieten etwa Wassertreten in Bottichen an (bald wird es ein Kneipp-Becken geben). Die Prozedur im kalten Wasser dauere nur 60 Sekunden und sei prima in die Pflege einzubauen. Natürlich in Absprache mit dem Bewohner, den Angehörigen und mit ärztlichem Okay. Das kalte Wasser stärke die Abwehrkräfte und mobilisiere die Leute.
Selbst wer am Heileffekt von Kaltwaschung und warmen Armbad zweifeln mag, dem leuchtet die Kneipp-Weisheit ein, dass jede Anwendung auch eine Zuwendung sei. „Viele alte Menschen werden nicht mehr angefasst, und wenn, dann trägt das Personal aus hygienischen Gründen meist Handschuhe.“ Darum empfänden sie es als wunderbar, wenn ihre Hände oder Füße nach den Kneipp-Bädern eingeölt würden.
Es brauchte eine Kulturrevolution im Kopf
Anfangs habe es viel Skepsis gegeben, ob das Personal Zeit dafür habe. Doch Kneipp-Anwendungen seien meist kurz, und eine Waschung lasse sich leicht mit einem Gespräch verbinden. Die Pflegekasse habe die Arbeit in zig Schritte zerlegt, sagt Izabela Gierlata. „Da brauchte es eine Kulturrevolution im Kopf, um zu sehen: Ich kann mit dem Bewohner auch reden und gleichzeitig etwas tun.“
Sie könne sich ja selbst nicht vorstellen, „wenn ich alt bin, nur vor der Glotze zu sitzen und Kaffee zu trinken“. Darum versuche sie die Bewohner anzuregen, in Bewegung zu bringen; obwohl 78 Prozent von ihnen demenzkrank seien. Viele seien heute in besserem Zustand als bei ihrem Einzug. Demenz gehe oft mit Traurigkeit, Unruhe, Verlorenheit einher, darum möchte sie nun – Stichwort Mimikresonanz – besser lernen, in den Gesichtern der Menschen zu lesen. Jedes Jahr sterben 50 bis 60 der Bewohner; sie wolle helfen, dass sie davor gut gelebt haben.
Altenpfleger haben oft nur ein freies Wochenende im Monat
Dass das in St. Maria Immaculata offenbar gelinge, lasse sich mit Zahlen belegen, sagt Georg Gal, Geschäftsführer des Trägers Nikolaus Groß GmbH. Während alte Menschen in der Regel nur um die acht Monate im Heim verbringen, weil sie erst spät und entsprechend krank einziehen, liege die Verweildauer in dem Borbecker Haus zwischen ein und zwei Jahren. Viele meldeten sich nun an, „weil sie zu uns kommen wollen, nicht weil sie müssen“.
Bleibt die Frage nach dem Wohlbefinden des Personals: In dem Clip sei nichts gelogen, die Stimmung sei gut, betont Gierlata. Derzeit bildet das Haus mehr als ein Dutzend junger Leute aus. Doch es gebe organisationsbedingt viele Teilzeitverträge, und das Versprechen, dass jeder Mitarbeiter zwei freie Wochenenden im Monat habe, lasse sich häufig nicht einlösen. Oft müssen die Altenpfleger sehr kurzfristig für Kollegen einspringen.
Kurze Clips werben für soziale Berufe
Im 2016 fertiggestellten Haus St. Maria Immaculata in Essen-Borbeck leben 126 alte Menschen, die von 100 Mitarbeitern betreut werden. Das Heim wird von der Nikolaus-Groß Altenwohn- und Pflegeheime GmbH betrieben, die insgesamt sechs Häuser im Norden und Nordwesten der Stadt hat. Das Caritas-Trägerwerk im Bistum Essen ist einer der Träger der Nikolaus Groß GmbH.
Der Caritas Video Award wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben. Alle Einrichtungen, die unter dem Dach des Caritasverbandes Essen vereinigt sind, können in einem kurzen Clip ihre Arbeit vorstellen und zeigen, „wie jung und bunt wir sind“, wie es in der Ausschreibung heißt. So wird zum einen Werbung für soziale Berufe gemacht, zum anderen gibt es Gutscheine von bis zu 1000 Euro zu gewinnen – und eine Preisverleihung im Kino für alle Teilnehmer.
Platz 1 beim Caritas Video Award hat 2019 das Franz-Sales-Haus belegt, Platz 2 ging an den Clip über Altenpflegerin Anja Fischer und CSE-Pflegehund Leon. Auf Platz 3 landete St. Maria Immaculata.
Es sei Sache der Politik, die Rahmenbedingungen in der Pflege zu ändern, sagt Georg Gal. Doch darauf wolle man sich nicht ausruhen, tüftele an den Dienstplänen, um die Arbeitszeiten verlässlicher zu machen. „Die Mitarbeiter müssen an uns kleben!“