Essen. Seit 2012 erwirtschaftet die Essener Uniklinik jedes Jahr Millionen-Verluste. Um aus dem Minus zu kommen, droht die Schließung von Stationen.

Viel Lob, aber auch deutlicher Tadel. So lässt sich in aller Kürze zusammenfassen, wie der Wissenschaftsrat die Situation der Essener Universitätsmedizin und des Universitätsklinikums beurteilt. Im Auftrag der Landesregierung hatten die Gutachter die Hochschulmedizin in ganz Nordrhein-Westfalen genauer beleuchtet. Sorgen bereitet den Experten die finanzielle Lage des größten Essener Krankenhauses.

Überschüsse habe es hier seit acht Jahren nicht mehr gegeben, so das Fazit der Prüfer. „Diskrepanzen zwischen den Personal- und Sachkostenzuwächsen auf der einen und den gesetzlich gedeckelten Vergütungszuwächsen bei steigenden Rechnungskürzungen von Seiten der Kostenträger auf der anderen Seite führen dazu, dass seit 2012 Verluste erwirtschaftet werden“, heißt es in dem Bericht. Das Minus der Uniklinik habe im Jahr 2017 und in den Jahren zuvor jeweils bei rund neun Millionen Euro gelegen, im Jahr 2016 sogar bei 14 Millionen. Der Wissenschaftsrat lobt zwar die Forschung in Duisburg-Essen, spricht aber von einer „bedrohlichen wirtschaftlichen Situation des Klinikums“.

Uniklinik denkt darüber nach, Stationen vorübergehend zu schließen

Die Klinik selbst habe bei der Analyse erklärt, dass zahlreiche Maßnahmen bereits ergriffen und weitere geplant seien, um wirtschaftlicher zu arbeiten. So sei im Jahr 2002 die „Universitätsklinikum Essen Dienstleistungs-GmbH“ für die Übernahme von Leistungen des Facility-Managements gegründet worden. Wäscherei und Labortransporte seien ausgegliedert, die Krankenhausküche an einen externen Dienstleister vergeben worden. Durch verschiedene Strategien sollen die Betriebskosten weiter gesenkt werden, heißt es. Denkbar sei auch, Stationen vorübergehend zu schließen, wenn sie nicht so ausgelastet sind wie erhofft. Das Pflegepersonal könne dann auf anderen Stationen eingesetzt werden, um so „kostenintensive Zeitarbeitskräfte zu reduzieren und gleichzeitig für Entlastung in der Pflege zu sorgen“.

Seit 2015 gehören Thorsten Kaatze (r.), kaufmännischer Direktor, und Prof. Jochen A. Werner, ärztl. Direktor, zur Führungsetage der Uniklinik Essen.
Seit 2015 gehören Thorsten Kaatze (r.), kaufmännischer Direktor, und Prof. Jochen A. Werner, ärztl. Direktor, zur Führungsetage der Uniklinik Essen. © FUNKE Foto Services | Ulrich von Born

Die wirtschaftliche Situation sei aus verschiedenen Gründen angespannt, teilt die Chefetage des Uniklinikums mit. In den Jahren 2011 bis 2015 sei durch personelle Wechsel auf verantwortungsvollen Positionen wenig Kontinuität gegeben gewesen. 2015 kam dann das Führungsduo Prof. Jochen A. Werner für die Medizin und Thorsten Kaatze für den kaufmännischen Teil ins Haus. Beide sind nun dabei, durch Innovationen wie die Umgestaltung zu einem Smart Hospital, zu dem auch die digitale Patientenakte gehört, die Uniklinik fit für eine Zukunft im digitalen Zeitalter zu machen. „Solche Veränderungen kosten Geld, aber auf lange Sicht werden wir davon profitieren“, sagt ein Kliniksprecher. Das gelte auch für andere Investitionen und Instandhaltungen.

Streik der Pfleger wirft die finanzielle Planung bis heute zurück

Lob für die Forschung

Positive Worte findet der Wissenschaftsrat für die Forschungsinfrastruktur der Essener Universitätsmedizin. Klinische und wissenschaftliche Schwerpunkte seien sehr gut verknüpft.

In Sachen Forschung hebt das Gutachten unter anderem die Infektiologie und Immunologie hervor. Auch die Onkologie wird als besonders forschungsstark identifiziert. Essen zählt zum Deutschen Konsortium für Krebsforschung und kooperiert mit dem universitätsmedizinischen Standort Köln und über das Westdeutsche Tumorzentrum mit dem in Münster

Zuletzt habe der lange Pfleger-Streik im vergangenen Jahr die finanzielle Planung der Uniklinik zurückgeworfen. Er habe die Uniklinik an jedem der fast 40 Streiktage etwa eine Million Euro gekostet. Die Auswirkungen seien aktuell noch zu spüren. Kürzlich hatte die Klinik erklärt, die vereinbarte Aufstockung des Pflegepersonals mit Zeitarbeitskräften zu stemmen, weil es schwierig sei, Pfleger fest zu binden. Aber: Zeitarbeitskräfte sind in der Regel teuerer als eigenes Personal. Es darf also davon ausgegangen werden, dass die Verluste für die Jahre 2018 und 2019 noch einmal deutlich höher ausfallen.

Bei aller Kritik fand der Wissenschaftsrat aber auch lobende Worte für die Uniklinik Essen. Als „dynamisch und aufstrebend“ beschreibt er die Universitäts-Medizin in Duisburg-Essen. Die Prüfer lobten speziell die Forschungsschwerpunkte Onkologie und Infektiologie/Immunologie. Die Einführung der elektronischen Patientenakte bezeichneten sie als „Meilenstein“.