Essen. Der Hospizdienst am Uniklinikum Essen ist international: Am Lebensende kann der Klang der Muttersprache trösten oder der Geruch von Weinblättern

Wenn sie ein Krankenzimmer betreten und sich vorstellen, zucken die Patienten mitunter zusammen: „Hospizdienst – das heißt für viele Menschen: Das ist das Ende“, sagt Ulrike Ritterbusch. Sie ist eine der drei Koordinatorinnen der Hospizarbeit am Uniklinikum Essen. Und diese Arbeit bedeute oft auch neue Erfahrungen machen, neue Menschen kennenlernen etwas zum ersten Mal tun: Anfang statt Ende. Seit einiger Zeit gehört dazu, dass Ehrenamtliche verschiedener Sprachen, Kulturen und Religionen sich um die Patienten auf der Palliativstation kümmern – denn auch die kommen aus verschiedenen Kulturkreisen.

Lebensbedrohlich erkrankt sind sie alle, und während Ärzte und Pflegepersonal alles tun, um ihre Schmerzen zu lindern, kümmert sich der Hospizdienst um Ängste, seelische Nöte oder Glaubensfragen. Es gebe Fragen, die man jedem stellen könne, sagt die Diplom-Pflegewirtin Ritterbusch. „Was brauchst Du, was willst Du, was ist Dir wichtig?“

Das Kopftuch flößt manchem Patienten Vertrauen ein

Auf der anderen Seite könnten „Religion und Rituale in einer solchen Situation Halt geben“, ergänzt Karin Scheer. Als evangelische Pastorin kann sie einem Protestanten da naturgemäß besser helfen als einem Muslim. Der wiederum wünscht vielleicht eher das Gespräch mit der dritten Koordinatorin Ferya Banaz-Yasar, der promovierten Biologin und Heilpraktikerin, die manchem allein durch ihr Kopftuch Vertrauen einflößt. Die gleichzeitig betont, dass sie kein Rezept habe, wie man mit „dem muslimischen Patienten“ im allgemeinen umgeht. Den muslimischen Patienten gebe es so nicht.

Kultursensible Hospizarbeit heiße letztlich eben, „dass Menschen Menschen begegnen“. In einem zehnmonatigen Kurs sind darauf zuletzt zwölf Ehrenamtliche vorbereitet worden: Rund 60 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund, sprechen also neben Deutsch auch Türkisch, Slowakisch oder Polnisch. Sowie diverse kurdische Dialekte, was sich im Falle eines syrischen Patienten als sehr hilfreich erwies: Er sprach nur das Kurdisch seiner Heimatregion und verstand niemanden auf der Palliativstation. Bis der frisch ausgebildete Ehrenamtliche ihn ansprach.

Ehrenamtliche jongliert mit deutschen und türkischen Wörtern

Sevgi Ertan (52), die in den 1980er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam und zu den Absolventen des Hospizarbeit-Kurses zählt, sagt, dass dieses Ansprechen fremder Menschen für sie anfangs eine Hürde war. „Mich fragen oft Menschen um Rat, aber es ist etwas ganz anderes, selbst auf die Leute zuzugehen.“ Nun habe sie schon verschiedene Patienten betreut und gute Erfahrungen gemacht. So mit der Mittdreißigerin, die wie sie türkische Wurzeln hat, und mit der sie zweisprachig plaudert. „Im Türkischen bringe ich ein bisschen Heimat mit, aber sie genießt es auch, dass ich mit dem Deutschen jonglieren kann.“

Trotzdem hat sich Sevgi Ertan zunächst gefragt, ob auch deutsche Patienten ihr vertrauen würden. Die Antwort lautet: „Ja, sicher!“ Da war etwa der junge Mann, der von weit her zur Behandlung nach Essen kam. „Er hat mir gleich sehr offen über sich und seinen Tumor erzählt. Schmerz, Leid und Angst – solche Gefühle sind international.“

Sie hatte sich schon länger vorgenommen, ehrenamtlich zu arbeiten, und fühlt sich in der Hospizarbeit am richtigen Platz: Sevgi Ertan.
Sie hatte sich schon länger vorgenommen, ehrenamtlich zu arbeiten, und fühlt sich in der Hospizarbeit am richtigen Platz: Sevgi Ertan. © Funke Foto Services | Julia Tillmann

Wie formuliert es Karin Scheer: „In dieser existenziellen Situation haben die Menschen ein Bedürfnis nach Fürsorge, das alles Politische und Ideologische in den Hintergrund rückt. Da zählt dann nur: Ich brauche mal einen Arm.“ Oder jemanden, der sie tröstet, wenn sie sich fragen, was nach ihrem Tod aus ihren Kindern wird.

Ein Gebet, ein Gespräch oder ein Geruch können trösten

Sie erlebe schon Patienten, die ihr gegenüber skeptisch seien, weil sie ein Kopftuch trage, sagt Ferya Banaz-Yasar. „Aber sobald wir ins Gespräch kommen, sehen sie nur noch den Menschen.“ Im Sterben sei damit manchem etwas möglich, das ihm im Leben bis dahin nicht gelungen sei: „Ich merke, dass wir uns im Alltag nicht oft so begegnen.“

Um mehr überraschende Begegnungen am Lebensende zu ermöglichen, bildet die Hospizarbeit ab Oktober wieder neue Ehrenamtliche aus. Es wäre schön, wenn das 35-köpfige Team noch internationaler würde, wenn zum Beispiel Teilnehmer mit russischen, marokkanischen oder tunesischen Wurzeln dabei wären, sagen die Koordinatorinnen. Auch weil ein Gespräch in der Muttersprache, ein vertrautes Gebet, ein Sprichwort aus Kindertagen oder der Geruch selbst gemachter Weinblätter in den letzten Momenten tröstend sein können.

Nächster Kurs für Ehrenamtliche startet im Oktober 2019

Im Oktober startet der nächste Befähigungskurs für die ehrenamtliche Mitarbeit in der kultursensiblen Hospizarbeit am Uniklinikum Essen. Der Kurs läuft über zehn Monate (alle 14 Tage sowie jeden Monat einen Freitag und Samstag). Die Kursgebühr beträgt 150 Euro; Teilnehmer, die anschließend ein Jahr lang ehrenamtlich für den Hospizdienst der Uniklinik tätig sind, können die Kursgebühr zurückerhalten.

Gesucht werden Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründen, die ehrenamtlich Schwerkranke und Sterbende begleiten möchten.

Es gibt drei Informationsabende für alle, die sich für die Teilnahme an dem Kurs interessieren: Dienstag, 3. September, Mittwoch, 4. September, und Dienstag, 10. September, jeweils um 19 Uhr im Westdeutschen Tumorzentrum, Hufelandstraße 55, WTZ-Stationen-Gebäude, Seminarraum im Erdgeschoss. Infos: 0201-723 27 46.