Essen. . Der ambulante Hospizdienst Pallium bildet ehrenamtliche Sterbebegleiter aus. Sie stehen schwer kranken Menschen bei und erfüllen letzte Wünsche.
Sie stehen im Leben und suchen die Begegnung mit dem Tod: Roswitha Hütgens zum Beispiel möchte gern mit anderen Menschen „das letzte Stück Weg gehen und lebenswert gestalten“. Sie ist eine von 13 ehrenamtlichen Sterbebegleitern, die jetzt den Kurs bei den Kliniken Essen-Mitte abgeschlossen haben.
Als junge Frau hat Roswitha Hütgens mit dem Gedanken gespielt, Krankenschwester zu werden – und wurde dann doch Architektin. Die richtige Entscheidung sei das gewesen, sie habe ihren Beruf geliebt. Doch sie sei ein „Kümmerer-Typ“ geblieben, habe ihre Eltern gepflegt, bevor sie starben. Nun ist sie 67 Jahre alt, pensioniert und betreut zwei Nachbarinnen (89, 94). „Aber da ist noch Luft für mehr.“
Also trifft sich Roswitha Hütgens heute mit einer krebskranken Frau, der sie letzte Wünsche erfüllen, Freude bereiten möchte. Wie damals ihrem Vater mit dem letzten Ausflug in die Gruga, der ihm viel gegeben habe. Sterbebegleitung klinge für viele traurig. „Es ist etwas Schönes! Und wir haben dafür gutes Rüstzeug bekommen.“
Neunmonatiger Kurs bereitet auf die Aufgabe vor
Neun Monate dauert die Vorbereitung der Ehrenamtlichen. Sie befassen sich mit ihrer Lebensgeschichte und mit spirituellen Fragen, erwerben medizinisches und pflegerisches Grundwissen, machen Praktika im Hospiz und auf der Palliativstation. „Dabei bekommen wir eine Menge mit vom Innersten der Teilnehmer“, sagt Jutta Doetsch. Sie ist eine der drei Koordinatoren beim ambulanten Hospizdienst Pallium der Kliniken Essen-Mitte. Pallium hat bis heute 75 Sterbebegleiter ausgebildet: Die Jüngste ist 29, der Älteste 90. Nicht alle sind noch voll aktiv, und die Zahl der Anfragen steigt. Also freut sich Jutta Doetsch jedesmal, „wenn wir zwei wildfremde Menschen in dieser Extremsituation zusammenbringen können, und es passt“.
Die Ehrenamtlichen übernehmen Aufgaben, für die Ärzte und Pfleger meist keine Zeit haben. Sie sind Zuhörer, Helfer, Tröster am Krankenbett, machen Spaziergänge, Nachtwachen, kaufen ein oder passen auf die Kinder auf. Denn der Tod hat nicht nur alte Klienten, auch wenn man das gern ausblendet. Jens Klahölter ist 35 Jahre alt, seine drei Kinder sind sechs bis 13. Mit welcher Wucht eine Krankheit ein Leben treffen kann, hat er früh erlebt: Mit 16 bekam er die Diagnose Multiple Sklerose, glaubte erst, „dass mit Tabletten alles gut wird“. Heute weiß der gelernte Metzger, dass er unheilbar krank ist; er hat ein Auge verloren und kann derzeit nicht arbeiten. Andere habe es schlimmer getroffen, „die mussten da alleine durchgehen“. Er hat den Kurs auch gemacht, um schwer kranken Menschen zur Seite zu stehen, mit Humor, Fröhlichkeit.
„Am Lebensende verstellt man sich nicht mehr“
„Wir bringen alle etwas anderes mit, um jemanden zu begleiten“, sagt Vera Mintrop (51), die Sozialbetreuerin im Altenheim ist. Alte Leute interessieren sie, als Persönlichkeiten: „Jeder braucht ja etwas ganz anderes, die Menschen sind so verschieden.“ Auch im Sterben. Das gehe in einer Gesellschaft, die ein jung-dynamisches Ideal feiere, vielleicht unter: „Sterben muss wieder gesellschaftsfähig werden.“
Für Antje Nass-Heinemann (55) ist es das längst: Schon ihre Mutter ist Sterbebegleiterin gewesen; und sie hoffe auf offene Begegnungen am Lebensende: „Da verkleidet, verstellt man sich nicht mehr.“ Da gehe es um mehr als um den Tod: „Die Menschen leben ja noch, und für ihr Leben will ich etwas tun!“
>>> HOSPIZDIENST BEGLEITET SCHWER KRANKE
Pallium entstand im Zentrum für Palliativmedizin der Kliniken Essen-Mitte. Die Palliativstation möchte mit einer ganzheitlichen Behandlung die Lebensqualität der Patienten verbessern. Dazu gehört, sie nach Hause zu entlassen, wenn sie das wünschen.
Der 2004 gegründete, ambulante Hospizdienst Pallium hilft Menschen in der letzten Lebensphase, selbstbestimmt, in Würde im gewohnten Umfeld zu leben. Pallium begleitet auch Angehörige. Die kostenlose Begleitung erfolgt unabhängig von Weltanschauung, Religion und sozialem Status. Pallium lehnt aktive Sterbehilfe ebenso ab wie ungerechtfertigte Sterbeverlängerung.
Pallium bildet regelmäßig ehrenamtliche Sterbebegleiter aus.
Kontakt: 174-24 359 oder: pallium@kliniken-essen-mitte.de