Essen. Gegen die geplante Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes hat Essen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Stadt fürchtet hohe Folgekosten.

Für behinderte Menschen soll das Bundesteilhabegesetz (BTHG) „viele Verbesserungen“ bringen, so verspricht es das Bundessozialministerium. Wie das vor Ort geschehen soll, hat das Land Nordrhein-Westfalen in einem Ausführungsgesetz zum BTHG geregelt. Doch gegen dieses Ausführungsgesetz hat die Stadt Essen gemeinsam mit anderen Akteuren im August Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht des Landes NRW eingelegt. Die Kommunen fürchten, dass sie am Ende auf zusätzlichen Kosten sitzen bleiben.

Das Gesetz, dessen nächste Stufe Anfang 2020 in Kraft treten wird, soll dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmter leben können und mehr Möglichkeiten zur beruflichen und sozialen Teilhabe erhalten. Namentlich sollen diejenigen, die Eingliederungshilfe beziehen, „künftig mehr von ihrem Einkommen und Vermögen behalten können“, sagt das Bundessozialministerium. Ein sinnvolles Ziel, das wohl niemand in Frage stellen möchte.

Stadt befürchtet „umfangreiche Mehrkosten“

„Uns liegt es völlig fern, das Bundesteilhabegesetz oder das Ausführungsgesetz bekämpfen zu wollen“, stellt auch Sozialdezernent Peter Renzel klar. Dass die gesellschaftliche Eingliederung (Inklusion) von behinderten Menschen verbessert werden solle, unterstütze man aus voller Überzeugung. „Wir müssen nur sicherstellen, dass wir mit den Folgekosten klarkommen.“

Das Land nämlich habe die Zuständigkeiten für die Leistungen neu bestimmt und die Aufgaben den Städten, Kreisen und Landschaftsverbänden neu zugeordnet. Als Träger der Eingliederungshilfe erwüchsen diesen nun „umfangreiche Mehrkosten“, fürchten die Stadt Essen und andere Betroffene.

Beschwerdeführer wollen sich gegen fehlende Kostenregelung zur Wehr setzen

„Wir vermissen dazu im Ausführungsgesetz eine qualifizierte Kostenfolgeabschätzung“, erklärt Peter Renzel. Man gestehe dem Land durchaus zu, dass es zum jetzigen Zeitpunkt schwierig sei, die künftigen Kosten schon einzuschätzen. Daher habe der nordrhein-westfälische Städtetag angeregt, zumindest die Beschwerdefrist zu verlängern. Das aber sei leider nicht passiert.

Arbeitsgemeinschaft vertritt behinderte Menschen in Essen

Die Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen in Essen e.V. ist ein Zusammenschluss von 46 Essener Selbsthilfevereinen behinderter und chronisch kranker Menschen. Sie setzt sich dafür ein, die Situation von Betroffenen in Essen zu verbessern. Infos/Kontakt unter der Telefonnummer 0201-22 89 39, per Mail: info@arge-selbsthilfe.de oder auf der Homepage: https://arge-selbsthilfe.de/

Die Arbeitsgemeinschaft führt das „Haus der Begegnung“ an der 1. Weberstraße 28 als Begegnungsstätte. Seit 2018 gibt es dort außerdem die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) für Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung. Termine unter der Telefonnummer 0201 / 84 67 63 55.

Um also die Jahresfrist einzuhalten, innerhalb derer man sich gegen die fehlende Kostenregelung zur Wehr setzen könne, habe die Stadt Essen Anfang August die Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof für das Land NRW eingelegt. Mit im Boot sind dabei u.a. die Stadt Dortmund, die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland, der Rhein-Sieg- und der Ennepe-Ruhr-Kreis. Formal gelte die Beschwerde nur für die genannten Beschwerdeführer, sagt Renzel. „Aber wenn wir Erfolg haben, profitiert die gesamte Städte-Familie in Nordrhein-Westfalen.“ Daher trage auch der Städtetag NRW die Kosten für das Verfahren.

Bund hat Ländern und Kommunen Entlastung versprochen

Im Erfolgsfall müsste das Land nicht nur die Kostenfolgeabschätzung vornehmen, sondern auch regeln, wie mögliche Mehrkosten ausgeglichen werden können. Das wäre übrigens auch im Sinne des Gesetzgebers: Laut Bundesarbeitsministerium nämlich sollen Grundsicherungs- und Eingliederungshilfeleistungen künftig „teilweise vom Bund übernommen werden“, so dass „die Kommunen und Länder entlastet“ werden. Und nicht etwa zusätzliche Kosten tragen müssen.