Essen. Ulrike Stottrop hat 35 Jahre lang den Bereich der naturkundlichen Sammlung betreut. Themenübergreifende Ausstellungs-Formate haben Furore gemacht
Im Ruhr Museum geht in diesen Tagen ein Zeitalter zu Ende. Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museum, hat es beim Abschied von Ulrike Stottrop mit Augenzwinkern „das Stottropozän“ genannt. Denn auch wenn 35 Jahre aus geologischer Sicht kein besonders langer Zeitraum sind, hat die Arbeit Stottrops, langjährige Leiterin der Abteilung Geologie/Naturkunde und des Mineralien-Museums sowie viele Jahre lang stellvertretende Direktorin des Ruhrlandmuseums, doch Spuren hinterlassen. Ihre Nachfolge übernimmt ab 1. August der Geologist Achim Reisdorf.
Mensch und Natur in industriellen Ballungsräumen
In einer Zeit, in der alle Welt über den ökologischen Fußabdruck, CO2-Ausstoß und Ressourcenverbrauch spricht, die Natur kurzum längst nicht mehr nur Thema für Wochenendausflügler und Gartenfreunde ist, hat ihr Bereich eben Konjunktur wie nie. Gerade das Zusammenwirken von Mensch und Natur in industriellen Ballungsräumen hat die gebürtige Essenerin früh beschäftigt. Aktuell sorgt die Galerieausstellung „Mensch und Tier im Revier“ für diese besondere Kopplung von Gegenwartsthemen und ihren historischen Bezügen .
Auch interessant
Aber Ulrike Stottrop hat nicht nur geografisch, sondern auch thematisch früh über den Gartenzaun geschaut, um interessante Projekte zu realisieren. Die von 2001 bis 2007 gezeigte geologische Dauerausstellung „terra cognita“ des Ruhrlandmuseums wird so zum Herzstück ihrer Museumstätigkeit und zeigt, wie man Objekte der Natur auch zusammen mit Kunst und Literatur, mit Geräuschen und Gerüchen zu einer Gesamterfahrung machen kann. „Das sind Sammlungseinheiten, die ungewöhnlich sind für Naturkundemuseen“, weiß Stottrop, die ihre Ausstellungskonzepte von Seoul bis zum neuseeländischen Wellington vorgestellt hat.
Nur dass sie die Reise zur Kunstbiennale Venedig 1986 nicht angetreten hat, das bedauert sie bis heute. Damals bespielte der international gefeierte Künstler Sigmar Polke († 2010) den Deutschen Pavillon mit seinen Kunststoffsiegelbildern und einem über vier Milliarden Jahre alten Meteoriten aus der Sammlung des Ruhrlandmuseums – und gewann den Goldenen Löwen der Biennale. Vor der Ausstellung ließ sich Polke von Stottrop intensiv über Geologie und Mineralogie informieren. Doch statt zur Preisverleihung nach Venedig zu reisen, hielt Stottrop damals in Essen einen Termin mit den Fossilienfreunden ein.
So wie Polke damals Mineralisches und Kosmisches verknüpfte, interessierten Ulrike Stottrop die Crossover-Projekte. Sie wollte keine Geologin sein, „die nur Geologie im Kopf hat“. Wichtig waren ihr immer die Zusammenhänge. Schon im Studium schnuppert sie ins Kunststudium hinein, wappnet sich damit für die Arbeit in einem Mehrspartenmuseum, das heute nicht nur die gesamte Natur- und Kulturgeschichte des Ruhrgebiets im Blick hat.
Der Mensch als Leitfossil
So nahm das Museum mit der von Stottrop konzipierten Ausstellung „Kohle.Global“ in 2013 schon vor dem Ende des deutschen Steinkohlebergbaus das Thema des weltweiten Ressourcenverbrauchs in den Blick. Die Schau, sagt Stottrop, habe ihr die Augen geöffnet, „wie sehr die Umwelt in anderen Ländern überhaupt keine Rolle spielt“ und zu der frustrierenden Erkenntnis geführt: „Unsere C02-Einsparung wird’s nicht bringen. Trotzdem ist es gut, das voranzutreiben“, sagt die 65-Jährige.
Von der „Kohle. Global“ bis zum „Klang der Steine“: Allein im Mineralienmuseum als Zweigstelle hat die Geologin im Laufe ihres Arbeitslebens über 40 Wechselausstellungen gezeigt. Das kleine Haus in Kupferdreh, dessen Dauerausstellung seit 2018 frisch überarbeitet lockt, sei auch ein willkommenes Spielfeld gewesen, neue Formate zu testen.
Auch interessant
Ausstellungs-Ideen hätte sie noch genug – vom Thema Rohstoffgewinnung bis zur Evolution der Menschheit. Und auch wenn die Geologie weit zurückschaut, wird ihr beim Blick in die Zukunft manchmal etwas bange: „Als Zukunftsperspektive könnte ich mir vorstellen, dass wir Menschen Leitfossilien werden“, sagt Stottrop. Ein Leitfossil zeichne aus, als Art möglichst weit verbreitet, aber auch sehr kurzlebig zu sein, „damit man die Schichten, in denen die Relikte dieser Art vorkommen, später zeitlich zuordnen kann. Wir sind auf dem besten Weg“, ahnt die Geologin.