Essen. Innogy will im neuen Literatur-Quartier zeigen, dass das Viertel mitten in der City klimaneutral und ohne fossile Energie versorgt werden kann.
Die Stadt Essen wird zum Reallabor der Energiewende. Der Energieversorger Innogy hat sich dafür das geplante Literatur-Quartier an der B224 ausgeguckt – den ehemaligen Standort der Funke Mediengruppe. Zusammen mit dem Investor und Projektentwickler OFB und weiteren Partnern soll dort ein gemischtes Stadtquartier aus Büros, Wohnen und Hotel entstehen, das möglichst ohne fossile Energieträger versorgt werden soll.
Die Herausforderung dafür liegt auf der Hand: Zwar sollen alle Dächer der Neubauten aber auch der bestehenden Gebäude mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden. Doch das reicht für die Stromversorgung in einem so dichten Ballungsraum nicht aus. Und Windanlagen als Alternative scheiden mitten in der Stadt natürlich aus. Deshalb will Innogy auf dem Gelände einerseits auf Batteriespeicher setzen, andererseits eine Wasserstoffspeicherung aufbauen, die dann zur Rückverstromung genutzt wird und die Abwärme daraus zur Wärmeerzeugung. Das Quartier soll so möglichst autark mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Klimaneutralität ist das Stichwort.
Innogy setzt auf Speichertechnologien und intelligente Steuerung
Allerdings wird das nicht zu 100 Prozent gelingen. Deshalb will Innogy auch „grüne Energie“ von außen nutzen, sagt Philipp Werdelmann. Er ist bei Innogy Abteilungsleiter für neue Energien und Projektverantwortlicher für dieses Experiment, das den Titel „SmartQuart“ trägt.
Das Besondere ist aber nicht nur die Unabhängigkeit von fossiler Energie. Denn eine der Aufgaben wird es sein, die Energieversorgung im Quartier so zusteuern, dass Energie stets ausreichend zur Verfügung steht, unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder der Wind bläst. Wenn beispielsweise nachts genügend Windstrom vorhanden ist, werden die Speicher gefüllt oder eben Elektroautos geladen. „Das Quartier muss intelligent ausgesteuert werden“, sagt Philipp Werdelmann.
Das Literaturquartier Essen soll Innogy als Blaupause dafür dienen, wie gerade in Großstädten die Energieversorgung der Zukunft gesichert werden kann, wenn Atom-, Kohle- oder vielleicht einst sogar Gaskraftwerke abgeschaltet werden. Außerdem geht es darum, sich die Investition in neue Netze zu ersparen. Zumal in den Ballungsgebieten dafür ohnehin kaum Platz ist.
Intelligente Straßenlaternen und E-Car-Sharing gehören zum Konzept
Das neue Literatur-Quartier
Im Literatur-Quartier ist ein Mix aus Büros und Beherbergungsbetrieben entlang der Friedrichstraße geben, im Innern des 16.500 Quadratmeter großen Geländes sollen Wohnungen entstehen. Die Stadt hofft auf ca. 500 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe. Ende 2022 sollen nach jetzigem Stand die ersten Mieter einziehen können.
Der dafür notwendige Abriss der Gebäude der ehemaligen Funke-Zentrale hat begonnen. Später werden auch die beiden Berufsschulgebäude an der Sachsenstraße folgen. Für sie sind Ersatzneubauten vorgesehen.
Der Name Literatur-Quartier soll Identität vermittel und greift Vorhandenes auf wie etwa die Bert-Brecht-Straße und im weiteren Sinne auch die Zeitungsproduktion, die hier stattfand.
Da das Quartier generell zukunftsweisend sein soll, wollen Innogy und OFB auch die Mobilität einbeziehen. So wird der Versorger beispielsweise seine intelligenten Straßenlaternen aufstellen, die so genannten Smart Poles, die nicht nur Licht geben sondern unter anderem auch als Ladesäulen für Elektrofahrzeuge dienen. Außerdem kündigte Innogy an, dass es ein Car-Sharing für Elektroautos geben wird, das nicht nur die Bewohner des Quartiers nutzen dürfen. Dafür soll im Parkhaus eine zweistellige Anzahl von Elektrofahrzeugen zur Verfügung stehen.
Das Innogy-Projekt geht auf eine Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums zurück. Dieses hatte einen bundesweiten Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“ ins Leben gerufen mit dem Ziel, zukunftsfähige Energietechnologien unter realen Bedingungen und im industriellen Maßstab zu erproben. 20 von 90 eingereichten Ideen haben sich durchgesetzt, darunter Innogy mit dem Projekt „SmartQuart“. Dieses soll neben Essen außerdem in Bedburg und Kaisersesch in Hessen gestartet werden. In den kommenden Wochen können die Sieger nun ihre Anträge für Fördermittel stellen. Dafür stellt das Bundeswirtschaftsministerium jährlich insgesamt mehr als 100 Millionen Euro zur Verfügung. Das letzte Wort, ob es tatsächlich zur Umsetzung kommt, hat damit zwar Berlin. Aber Innogy ist zuversichtlich, dass die nun ausgewählten Projekte gute Chancen haben, eine Freigabe zu erhalten.