Essen. Museum Folkwang zeigt Neupräsentation der Sammlung. In 24 Räumen werden Malerei, Fotografie, Plakatkunst und Skulptur nun thematisch verknüpft.
Mancher Museumsbesucher mag diesen Weg schon fast wie im Schlaf gehen: vorbei an Renoirs „Lise mit dem Sonnenschirm“, mit Blick auf Edouard Manets honorigen „Sänger Jean Baptiste Faure als Hamlet“, dann weiter zu den Impressionisten. Vertraute Wege, vertraute Anblicke. Doch ab dem 21. Juni wird sich das ändern. Unter dem Titel „Neue Welten“ zeigt das Museum Folkwang seine Sammlung neu aufgestellt. Für das „Grand Opening“ bleibt das Museum Folkwang erstmals in seiner Geschichte sogar rund um die Uhr geöffnet. 24 Stunden lang gibt es vom 21. bis 22. Juni Führungen, Künstlergespräche, Konzerte und sogar Guten-Morgen-Yoga mit Frühstücksbuffet.
Museums-Direktor Peter Gorschlüter, seit rund einem Jahr im Amt, präsentiert eine völlig neue Konzeption der Dauerausstellung, die dann auch nicht mehr Dauerausstellung heißt, weil sie durchlässiger und flexibler als bislang werden soll. Dass es künftig mehr Wechsel und Veränderungen geben wird, liegt auch daran, dass man neben den Highlights der Sammlung von Paul Cézanne bis Emil Nolde, von Ferdinand Hodler bis Otto Dix, von Mark Rothko bis Gerhard Richter künftig auch Fotografie, Plakatkunst, Skulptur und die lichtempfindliche Grafik zeigen wird, die häufiger ausgetauscht werden muss. Statt der chronologischen Reihung, statt der festen Einteilung in Impressionismus, Expressionismus, Surrealismus, zeigen sich die Meisterwerke von Monet bis Klee nun in ungewohnter Nachbarschaft. In 24 thematischen Räumen wird das Museum seine Schätze so medien- und epochenübergreifend präsentieren, wird bislang noch nie oder selten Gesehenes aus dem Depot ans Licht holen und neben den ältesten Osthaus-Ankäufen auch aktuelle Neuerwerbungen zeigten.
Einige internationale Museen haben ihre Hängung in den vergangenen Jahren neu aufgestellt. Meist geht es darum, fehlende Kunstbereiche wie die Fotografie zu integrieren und den meist stark westlich geprägten Blick auf den Kunst-Kanon global zu erweitern. Für Peter Gorschlüter steht vor allem der Mensch im Mittelpunkt. Und so wird der Start in die „Neuen Welten“ auch mit Rodins Bronze „Eva“ beginnen, werden Menschwerdung und Sündenfall ebenso zur musealen Erzählung wie Aufbrüche, Neuanfänge, Verwandlungen. Für Gorschlüter ist dieses Eintauchen in „Neue Welten“ nicht irgendein übergestülptes Konzept, sondern eine Idee, „die in der Folkwang-DNA verankert ist“; dank des grandiosen Sammlers Karl Ernst Osthaus, der sich für afrikanische Masken und islamische Keramik ebenso begeistern konnte wie für exquisite Malerei von Gauguin oder van Gogh.
Diese Weite des künstlerischen Horizonts soll nun auch das Publikum zu künstlerischen Entdeckungsreisen ermuntern. Es ist auch eine Intervention gegen eine gewisse Museums-Routine, gegen das „Scannen“ von Kunst. Elf Sekunden betrachtet ein Besucher laut Statistik ein Bild. Ab dem 21. Juni dürfte das Staunen, manchmal vielleicht auch die Verwunderung an die Stelle des Wiedererkennens treten, wenn Künstlerinnen wie Germaine Krull und Cindy Sherman im Maskenraum auf Otto Muellers „Maschka mit Maske“ oder eine japanische No-Maske treffen. Oder sich eine Corpus Christi Figur aus dem 16. Jahrhundert zu den verknautschten „Old Friends“ von Thomas Schütte gesellt. So soll die neue Hängung stärkere Neugier auf eine Sammlung wecken, die seit Einführung des freien Eintritts heute dreimal mehr Besucher begrüßen kann, wie Gorschlüter dem Kulturausschuss unlängst berichtete. Auch der Anteil des jungen Publikums konnte deutlich gesteigert werden. Hinzu kommt, dass mit Gorschlüter und seinem jungen Kuratoren-Team auch inhaltlich ein merklich frischer Wind eingezogen ist. Vieles, was in den vergangenen Jahren eher zögerlich behandelt wurde, wird derzeit in Angriff genommen. Dazu gehört nicht nur das innovative Angebot einer Gratis-App. Sogar die bitternötige Neugestaltung der Museums-Gastronomie steht in Aussicht.
Möglich wurde die Neupräsentation der Sammlung am Ende auch durch die notwendig gewordene Dachsanierung der großen Ausstellungshalle im Chipperfield-Bau, wo derzeit keine Ausstellungen stattfinden können. Finanzielle und personelle Ressourcen wurden so frei. „So schnell kommt diese Chance nicht wieder“, sagt Peter Gorschlüter. „Neue Welten“ brauchen eben auch günstige Gelegenheiten.