Essen. .

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis der größte Verlust der Essener Museumsgeschichte in eine Erfolgsstory umgemünzt werden konnte. Wenn diesen Samstag „Das schönste Museum der Welt” in Essen seine Wiederauferstehung feiert, dann gelingt dem Museum Folkwang ein beeindruckend inszenierter Brückenschlag von der Geschichte in die Gegenwart. Eine faszinierende Rückschau, die gleichzeitig vom Glück des Neuanfangs erzählt.

Das schönste Museum der Welt”, es ist keine kuratorische Übertreibung, sondern ein Ausruf, den MoMA-Mitbegründer Paul Sachs 1929 beim Besuch in Essen getan hat. Der Superlativ dürfte nicht unberechtigt gewesen sein, sagt Gastkurator Uwe M. Schneede. Nur Folkwang verfügte um 1930 über eine derart qualitative Fülle von Werken französischer und deutscher Künstler der klassischen Moderne. Dazu kam die einzigartige Kombination von zeitgenössischer Kunst und Werken alter und außereuropäischer Kultur, Markenzeichen des Folkwang-Gründers Karl Ernst Osthaus. Wenige Jahre später war diese einzigartige Ansammlung der Avantgarde zerschlagen; mehr als 1400 Werke, von den Nazis als „entartet” beschlagnahmt, verlor die Sammlung: Gemälde, Skulpturen, Graphiken, Aquarelle, verfemt, verbrannt oder gegen Devisen ins Ausland verkauft an Museen oder Privatsammler. Den Ausverkauf legitimierten die Nazis juristisch per Gesetz.

Das schönste Museum-- verstreut in alle Welt: Aus New York, Basel, Kansas, aus Beirut kamen einstige Schätze als Leihgaben, insgesamt 35 der 70 ausgestellten Gemälde: darunter Chagalls „Purimsfest” oder Kandinskys „Improvisation 28”. Die Zustimmung der Häuser war „erstaunlich”, freut sich Museums-Chef Hartwig Fischer: „Alle haben die Bedeutung begriffen.”

Nostalgisch und beglückt

Freilich ist die Schau auch ein Wiedersehen mit vielen Vertrauten, die den Folkwang-Ruhm bis heute begründen, darunter längst zurückerworbene Gemälde wie Cézannes „Steinbruch Bibemus”. Und so staunt man sich mit wachsender Begeisterung von Raum zu Raum, weiß Renoirs verträumte „Lise mit dem Sonnenschirm” nun in anregender Nachbarschaft mit Manets theatralischem „Faure”. Einträchtig versammelt auch wieder: die Gründungsväter der Moderne, Gauguin, van Gogh und Cézanne. Man wandert von den „Erben des Impressionismus”mit ihren irisierenden Farbpunkten zu den Expressionisten, Nolde, Kirchner, Schlemmer. Gelangt vom neuen Menschenbild, das Rodin, Maillol und Georg Minne in der Skulptur entwarfen, zu Jenseits-Gaben aus Ägypten, den filigranen Amuletten und hauchdünnen Glasgefäßen. Bis man fast ein wenig nostalgisch wird ob all der verlorenen Schätze, aber auch beglückt von der ungeahnten Vielfalt und dem Reichtum dieser außerordentlichen Osthaus-Sammlung.

Das Ergebnis ist eine Schau, die keine kunsthistorische These mehr braucht, sondern aus dem Selbstverständnis ihrer Vergangenheit lebt, einzigartig in ihrer Synthese von Ort und Geschichte.

Für Hartwig Fischer ist sie vor allem ein „großer Moment der Wiederentdeckung und des Neubeginns“. Was insbesondere die außereuropäischen Kunstwerke betrifft, die jahrzehntelang in den Depots schlummerten und in Zukunft einen dauerhaften Platz im Altbau bekommen.

Wirkungsvoller Auftritt im mystischen Halbdunkel

Ihr wirkungsvoller Auftritt verdankt sich vor allem einem meisterhaften Umgang mit dem Licht in Chipperfields Architektur. So geht es aus dem taghellen Raum, in dem Gauguins tahitianisches „Mädchen mit dem Fächer”, so viel Sonne sieht wie lange nicht, ins mystische Halbdunkel ozeanischen Ahnenkults, in dem die bizarr geschnitzten Figuren jene Faszination des Fremden atmen, die auch Osthaus verzaubert haben muss.

Immer wieder überrascht die Ausstellung dabei im Wechsel der Zeiten, Stile und Stimmungen, funktioniert in der indirekten Bezugnahme, aber auch in der Abgrenzung der Kulturen. Und so gerät „das schönste Museum der Welt” zur großartigen Erinnerung, zum Ereignis, aber auch zur Ermunterung, als Museum der Gegenwart an alte Traditionen anzuknüpfen.