Essen. . Eine Kita-Betreiberin setzt sie schon um, der Bundesgesundheitsminister wirbt dafür: Nun fordert Essens Sozialdezernent die Masern-Impfpflicht.

Essens Sozialdezernent Peter Renzel unterstützt die Forderung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), eine Masern-Impfpflicht für Kinder einzuführen. Unter der Überschrift „Mit ganzer Kraft gegen Masern!“, schreibt der Dezernent auf seiner Facebook-Seite: „Ich fände eine Impfpflicht gegen Masern richtig. Im Grundsatz bin ich auch eher für freiwillige Lösungen, aber scheinbar hilft es nicht umfassend genug.“

Renzel betont, dass das nicht nur an der Gruppe „ideologischer Impfgegner“ liege, die sich bewusst dagegen entscheiden, ihre Kinder impfen zu lassen. Vielmehr habe man es auch mit einer „veränderten Bevölkerungszusammensetzung“ zu tun: „Vielen fehlen offenbar heute die Kenntnisse über die schwerwiegenden Risiken einer Masern-Erkrankung.“

Kein Impf-Muffel: Hier lässt sich Essens Sozialdezernent Peter Renzel (r.) vom Leiter des Gesundheitsamtes, Rainer Kundt, gegen Grippe impfen
Kein Impf-Muffel: Hier lässt sich Essens Sozialdezernent Peter Renzel (r.) vom Leiter des Gesundheitsamtes, Rainer Kundt, gegen Grippe impfen © OH

Nach Ansicht des Sozialdezernenten sollte eine Impfpflicht für Kinder gelten und Teil der Vorsorge-Untersuchungen werden. Bei diesen regelmäßigen Terminen beim Kinderarzt sollte dieser den Impfstatus überprüfen und die kleinen Patienten bei Bedarf impfen. Sinnvoll sei es, wenn der Arzt diese Gelegenheit auch nutze, „um die Mama und den Papa des Kindes anzusprechen“. Man brauche eine Informations-Kampagne, die auch diese Altersgruppe erreiche: Es sei sinnvoll, den Impfschutz bei Erwachsenen zwischen 18 bis 50 Jahren auf freiwilliger Basis zu prüfen. Diesen fehlten oftmals die vom Robert-Koch-Institut empfohlenen zwei Impfungen aus der Kinderzeit. „Dann muss dringend nachgeimpft werden. Wir dürfen die Gefahren durch Masern nicht unterschätzen.“

Beim Masernausbruch 2017 starb eine dreifache Mutter

Auch Spahn hatte bei seinem Vorstoß darauf hingewiesen, dass es sich bei den Masern um eine Infektionskrankheit handele, „die sehr böse verlaufen und ernsthafte Folgen haben kann“. Deshalb halte er den Eingriff in die persönliche Freiheit für vertretbar, wenn die Kinder Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Schulen besuchten. Auch Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte seine Unterstützung für diese Forderung signalisiert.

So soll das Impfbuch nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aussehen: mit Kreuzchen für die erfolgte Masern-Impfung.
So soll das Impfbuch nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aussehen: mit Kreuzchen für die erfolgte Masern-Impfung.

Das Robert-Koch-Institut mahnt seit Jahren, dass man eine Impfquote von 95 Prozent benötige, um die Infektionswege bei den Masern wirkungsvoll zu unterbrechen. In einigen Stadtteilen in NRW wird diese Quote jedoch unterschritten. In Essen hatten bei den Einschulungsuntersuchungen für das Schuljahr 2017/18 laut Impfausweisen 98 Prozent der Kinder die erste Masern-Impfung, immerhin 92 Prozent auch die zweite, die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen wird. Allerdings gab es im Frühjahr 2017 in der Stadt einen Masernausbruch, bei dem sich in kurzer Zeit 61 Menschen ansteckten, eine dreifache Mutter starb an der Krankheit. „Dieser Todesfall hat uns nicht losgelassen“, sagt Sozialdezernent Renzel.

Eine Kita-Betreiberin hat Impfpflicht bereits eingeführt

Die Essenerin Jutta Behrwind, die fünf private Kitas in der Stadt betreibt, hatte schon im Februar bundesweit Aufmerksamkeit erregt, als sie erklärte, in ihren Einrichtungen nur noch geimpfte Kinder aufzunehmen. Zuvor hatten sich schon etliche Essener Tagesmütter für eine Impfpflicht entschieden. Rebecca Eggeling von der Interessengemeinschaft Tagespflege erklärte: „Wir haben Sorge, dass sich die betreuten Kinder oder die schwangeren Mütter anstecken, mit denen wir regelmäßig in Kontakt sind.“ Dagegen hatten große Träger wie der katholische Kita-Zweckverband einen solchen Eingriff in die Elternrechte abgelehnt, so lange es keine bundesweite Regelung gibt. Aber das könnte sich ja nun ändern.