Das älteste Filmtheater im Ruhrgebiet, das Filmstudio Essen, feierte am Wochenende sein 90-jähriges Bestehen. Dabei ist das starke bürgerschaftliche Engagement zur Rettung des Kinokleinods bis heute deutschlandweit einmalig.
Wenn es um große Gefühle geht, dann ist dieses Haus seit 90 Jahren eine erste Adresse. Und so durften die Klassiker von „Vom Winde verweht“ bis zu Goethes „Werther“ nicht fehlen, als das älteste Filmtheater im Ruhrgebiet am Samstag seinen 90. Geburtstag feierte. Mit Vivien Leigh auf der Leinwand und Grillo-Schauspieler Johann David Talinski als junger Werther an der Gitarre, mit Musik von Rafel Cortes und Sohn, mit Ehrengästen, treuen Mitstreitern und vielen Filmstudio-Fans, die sich die Liebe zu diesem besonderen Kino sogar was haben kosten lassen.
Marianne Menze, Chefin der Essener Filmkunsttheater, freut sich bis heute über diese Woge bürgerschaftlichen Engagements, die überhaupt möglich gemacht hat, dass dieses Kinokleinod immer noch steht – mit seiner Fassade aus den 1920ern und der liebevoll restaurierten 50er-Jahre-Ausstattung. Am 1. März 1924 eröffnet, im Zweiten Weltkrieg von Bomben getroffen, 1953 wiedereröffnet und danach allmählich in die Jahre gekommen, stand das Haus 2001 wegen statischer Mängel schon fast vor dem Aus. Erst mit dem Umbau des denkmalgeschützten Glückaufhauses 2006 bekam auch das Kino eine neue Perspektive.
Bürger sprangen als Bürgen ein
Dafür allerdings mussten knapp zwei Millionen Euro zusammenkommen, um dieses Denkmal deutscher Kinokultur zu erhalten. Der anfänglichen Ernüchterung folgte das, auf was man sich in der Essener Kinolandschaft nach der Rettung der Lichtburg bestens versteht: „Mit der Truppe von damals sind wir wieder kämpfen gegangen“, erinnert sich Marianne Menze. Mit der Zusage des Landes über eine Million waren zwar irgendwann die Weichen gestellt. Doch neben einigen Essener Firmen waren es am Ende vor allem auch die Bürger, die als Bürgen für die verschuldete Stadt mit jeweils 1000 Euro einsprangen, nachdem Künstler wie Joachim Krol, Hagen Rether und Wolfgang Niedecken mit gutem Beispiel vorangegangen waren.
Kollegen in ganz Deutschland staunen bis heute über diese einzigartige Solidarität mit dem Kinokleinod. „Es gibt wohl nichts Vergleichbares in ganz Deutschland“, erklärt die Kinochefin. Und Oberbürgermeister Reinhard Paß, der sich selbst zu den anfänglichen Skeptikern der Rettungsaktion zählte, muss konstatieren: „Wir haben mit der Kinolandschaft in Essen etwa Besonderes. Mit dem historischen Interieur und seiner langen Tradition ist das Filmstudio zu einem Stück Heimat geworden.“
Weil das so ist, muss man sich um die Zukunft des Filmstudios auf absehbare Zeit wohl keine Sorgen machen. 25 Kooperationspartner vom Schauspiel Essen bis zum Museum Folkwang und dem Kulturwissenschaftlichen Institut sind treue Gäste. Die Reihe der Lesungen und Veranstaltungen soll weiter ausgebaut werden. Und natürlich wird es weiter große Filmkunst geben. 450 Filme sind seit der Wiedereröffnung 2009 gelaufen. Sie waren nicht mehr ganz so dauerhaft gefragt wie „Bettgeflüster“ oder „Vom Winde verweht“, der im Filmstudio lange erfolgreiche 15 Wochen gelaufen ist. Und wenn im Filmstudio heute die Lichter ausgehen, dann rufen Sie manchmal noch „Feieraaabend“ wie damals auf der Baumwollplantage Tara. Am Samstag soll das nach langer Geburtstagsfeier wieder mal sehr spät gewesen sein.