‘Essen. . 22 Jahre hat Stefan Niesert die größte Geburtsklinik weit und breit geleitet. Jetzt wechselt er vom Elisabeth-Krankenhaus in den Ruhestand.

22 Jahre hat Professor Stefan Niesert dort gearbeitet, wo das Leben beginnt. Wo große Glücksgefühle Schmerzen vergessen machen. Für zigtausende kleine Essener war er der erste Mensch überhaupt, dem sie neben ihrer Mutter und ihrem Vater begegnet sind. Niesert leitet die Frauenklinik am Elisabeth-Krankenhaus und damit auch die Geburtsstation. Bis Donnerstag noch, dann geht der 66-Jährige in den Ruhestand.

Es wird ein sanfter Abschied sein. Im Hintergrund wird der Klinik-Direktor Kontakt halten zu den Kollegen und Mitarbeitern, auf die er Zeit seines Berufslebens so stolz war, und er wird als Konsiliararzt beratend tätig sein. Wenn man mit Niesert über seine Arbeit sprechen möchte, über die Entwicklung hin zur drittstärksten Geburtsklinik Nordrhein-Westfalens und wichtigsten der Region, dann nutzt er die Gelegenheit gerne, um sein Team zu loben.

Einige Fälle werden Niesert ewig in Erinnerung behalten - zum Beispiel eine Geburt von Vierlingen

Vielleicht ist es die norddeutsche Bescheidenheit des Mannes, der in Rostock geboren wurde und in Kiel und Münster studiert hat. Dabei ist es ohne einen starken Chef kaum möglich, Zahlen wie diese zu erreichen: 900 Geburten pro Jahr waren es, als Stefan Niesert 1996 zum Elisabeth-Krankenhaus kam, mehr als 2500 sind es, wenn er jetzt geht. An die 40.000 Neugeborene sind in seiner Zeit hier zur Welt gekommen. Vierzigtausend! „Natürlich werden mir etliche Fälle ewig in Erinnerung bleiben. Eine Geburt ist auch nach so vielen Jahren im Beruf ein bewegender Moment“, sagt Niesert, selbst zweifacher Vater, und lächelt.

Er denkt da zum Beispiel an die junge Frau mit iranischen Wurzeln, die vor 20 Jahren hochschwanger in die Klinik kam und mit gleich vier Babys im Arm später die Heimreise antrat. „Eine Vierlingsgeburt, so etwas bleibt hängen“, sagt Niesert. Ebenso wie die werdende Mutter, die kurz vor der Geburt ihr Stationsbett noch einmal verließ für einen kurzen Ausflug zum Standesamt, „sie wollte unbedingt noch vorher heiraten“. Oder auch die vielen Frühchen, die er als Hand voll Leben kennenlernte und die später, mit fünf, sechs Jahren quirlig und kerngesund in Begleitung der Eltern auf einen kurzen Besuch vorbeikamen, um sich einmal anzusehen, wo alles begann.

Zwei komplette Renovierungen der Kreißsäle

In der Geburtsmedizin und Gynäkologie hat sich einiges getan im Laufe der Jahre. Zwei komplette Renovierungen der fünf Kreißsäle hat der Klinikchef begleitet. Von einer kühlen Kachelatmosphäre sind die Räume, in denen das Leben beginnt, längst weit entfernt. Warme Farben und helles Holz bilden den Rahmen für das erste Kennenlernen von Mutter, Vater und Kind. Und trotzdem steckt bei aller Wohlfühlatmosphäre moderne Technik hinter Schiebetüren in jedem einzelnen Raum. Auch die Wege zum Operationssaal sind kurz. „Im Notfall vergehen bei uns nur acht Minuten von einer Entscheidung bis zur Operation“, sagt Niesert.

Doch seine Arbeit hat sich ja nicht nur um die Geburten gedreht. Einen großen Teil hat auch die gynäkologische Medizin ausgemacht. Von der Vorsorge bis zur Krebsbehandlung. Einer der Schwerpunkte hier: die Dysplasieeinheit mit dem gynäkologischen Krebszentrum, wo Frauen aus dem ganzen Ruhrgebiet beraten werden, wenn ein Zell-Abstrich vom Gebärmutterhals nicht so ist, wie er sein sollte. „Es hat sich so viel verändert. Die Eingriffe sind immer schonender geworden. Die minimalinvasive Chirurgie, auch Schlüsselloch-Medizin genannt, wird längst in allen Bereichen durchgeführt“, sagt der Klinikdirektor.

Ein Erinnerungsfoto von 1998: Professor Stefan Niesert mit den iranischen Vierlingen. Foto: Elisabeth-Krankenhaus  
Ein Erinnerungsfoto von 1998: Professor Stefan Niesert mit den iranischen Vierlingen. Foto: Elisabeth-Krankenhaus  

Wie es ihm nun persönlich geht mit dem Gedanken, dass sein letzter offizieller Arbeitstag nun nah und immer näher rückt? „Ach wissen Sie, ich bin einfach dankbar für diese Zeit. Es ist keine Selbstverständlichkeit, 22 Jahre an einem Haus zu bleiben. Mit so einem tollen Team.“ Und da spricht er wieder mit dieser ruhigen, besonnenen Art, mit der er so vielen Patientinnen in all den Jahren ein Gefühl von Sicherheit in aufreibenden Zeiten gegeben hat. Kurz vor seinem Abschied in den Ruhestand hat Stefan Niesert noch eine gute Nachricht für die Stadt mitgebracht. Er wird bleiben und nicht etwa zurück in den Norden gehen. „Essen macht es einem sehr leicht, sich wohlzufühlen. Ich mag die Menschen hier.“

Dr. Andrea Gerling übernimmt die Leitung kommissarisch

Wenn sich Prof. Stefan Niesert als Direktor der Frauenklinik am Elisabeth-Krankenhaus verabschiedet, übernimmt zunächst Dr. Andrea Gerling die Leitung kommissarisch. Sie ist bisher Leitende Oberärztin an gleicher Stelle. Langfristig ist vorgesehen, dass die Leitung der Gynäkologie am Elisabeth-Krankenhaus in gleichen Händen liegt wie die der Gynäkologie am Altenessener Marienhospital. Beide Häuser werden unter dem Dach der Contilia-Gruppe betrieben.

>> ELISABETH-KRANKENHAUS GEBURTENSTÄRKSTE KLINIK IN ESSEN

  • 2590 Babys erblickten 2018 im Elisabeth-Krankenhaus das Licht der Welt.
  • Mit 2551 Geburten (darunter auch Mehrlingsgeburten) ist die Geburtsklinik des Elisabeth-Krankenhauses Essen, das zur Contilia Gruppe gehört, erneut geburtenstärkste Klinik in Essen und im Ruhrgebiet. Darüber hinaus freut sich ist die Klinik über die Auszeichnung als drittstärkste Geburtenklinik in NRW.
  • Dass so viele Mütter dem Haus vertrauten sei eine Bestätigung für die Arbeit des Zentrums Mutter und Kind, das seit 2006 als „Perinatalzentrum Level 1“ anerkannt sei, sagt die Klinik. Diese Anerkennung erhielten nur Kliniken, die neben der Betreuung normal verlaufender Schwangerschaften/ Geburten auch optimale Voraussetzungen für die Versorgung bei Früh- und Risikogeburten böten.