Die Stadt Essen will den Anteil der Betreuungsplätze bei Tagesmüttern von 37 auf 25 Prozent drücken. Die Betroffenen wehren sich dagegen.
Essen. Bei der Betreuung von kleinen Kindern unter drei Jahren spielen Tageseltern eine unvermindert große Rolle: Bei 37 Prozent liegt der Anteil dieser Betreuungsform. Doch die Stadt hält bislang an einem Ratsbeschluss aus dem Jahr 2011 fest, nach dem dieser Anteil zugunsten von Kitas auf 25 Prozent gedrückt werden soll. Die Tagesmütter halten das für so realitätsfern wie falsch: Kleine Kinder seien bei ihnen am besten aufgehoben.
Die Sitzung des Jugendhilfeausschusses im Februar hat Rebecca Eggeling Mut gemacht: „Da gab es viele Stimmen, dass die angepeilte Quote nicht realistisch ist und man den Ratsbeschluss überdenken müsse“, sagt die Sprecherin der Interessengemeinschaft Kindertagespflege. Auch der bisher für die Kinderbetreuung zuständige Sozialdezernent Peter Renzel habe erklärt, man sei schon wegen der fehlenden Kita-Plätze auf die knapp 2400 Plätze bei Tageseltern angewiesen.
„Tagesmütter sind eine gute Alternative zur Kita“
Der Tagespflege komme „eine Kompensationsfunktion beim Kita-Ausbau“ zu, sagt die Stadt. „Uns ärgert, dass wir als Notlösung und nicht als gleichberechtigte Alternative angesehen werden. Es wäre sinnvoll, wenn die kleineren Kinder zu uns kämen, und die über drei Jahren in die Kita gehen“, kritisiert Rebecca Eggeling.
Vielerorts herrsche noch die Vorstellung, „dass Tagesmütter vor allem Hausfrauen sind, die nebenbei ein paar fremde Kinder betreuen“. Tatsächlich sei die Professionalisierung weit vorangeschritten, sagt Eggeling beim Ortstermin bei den Kleinen Kumpeln in Rüttenscheid. Vier Kräfte arbeiten in der Großtagespflege, die neun Kinder von anderthalb bis drei Jahren aufnimmt. „Wir gehen intensiv auf sie ein – und bieten großzügige Betreuungszeiten: Wir schließen nur zwischen Weihnachten und Neujahr“, sagt die Erzieherin Sabine Weimer.
„Ich habe mir eine familiäre Umgebung gewünscht“
Glaubt man der Stadt, bevorzugen die meisten Eltern für Kinder ab zwei dennoch einen Kita-Platz. Dem widerspricht Daniela Heitmann: Ihr Sohn ist anderthalb Jahre alt und seit August 2017 ein Kleiner Kumpel. „Das war eine bewusste Entscheidung, weil wir uns eine familiäre Umgebung gewünscht haben.“ Der Wunsch habe sich erfüllt: Die Tagesmütter hätten Zeit, ihren Sohn auch mal in den Arm zu nehmen, zu trösten und ihr beim Abholen ein Feedback zu geben. Darum möchte sie, dass ihr Kind erst 2019, also mit drei, in eine Kita wechsle. „Bloß gehe ich damit das Risiko ein, dass er dann keinen Platz mehr bekommt.“ Denn gerade bei den Plätzen für Kinder über drei Jahre (Ü3) herrsche Mangel: „Viele Eltern melden das Kind nur deshalb schon mit zwei in der Kita an, um sich einen Platz zu sichern.“
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Tagesmutter Simone Rupp von den Kleinen Kumpeln erzählt, dass einige Eltern, deren Kinder mit zwei in die Kita gewechselt seien, „die persönliche Atmosphäre bei uns vermissen“. Daniela Heitmann kann sich ihren Sohn jedenfalls noch nicht in einer Kita vorstellen: „Hier muss ich mir bei der Arbeit keine Gedanken machen, ob es ihm gut geht.“ Zwei Frauen, deren Kinder bei anderen Tagesmüttern sind, stimmen ihr in unserem Gespräch zu. „Mein Sohn entwickelt Sicherheit, weil sich die Tagesmutter ihm intensiv widmet“, sagt die eine. „Meine Tochter fand sofort Spielkameraden, weil geguckt wir, dass die kleine Gruppe gut zusammenpasst“, so die zweite. In ihrem Freundeskreis gebe es niemanden, der Tagespflege als zweitbeste Betreuung sehe. Simone Rupp erlebt das ähnlich: „Wir haben 45 Familien auf der Warteliste.“
>>>> EINE LOBBY FÜR TAGESELTERN
Die Interessengemeinschaft Kindertagespflege (IG) Essen hat gut 300 Mitglieder und sieht sich als Vertretung der Tageseltern. Der Verein bietet Fortbildungen und Beratung an. Info: Claudia Gössling, 015 73-44 35 842.
Die IG lädt am Dienstag, 13. März, um 19 Uhr zu ihrer Jahreshauptversammlung bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo), Pferdemarkt 5 (Saal, 3. Etage). Interessierte Tageseltern – auch Nichtmitglieder – sind willkommen