Essen. 13 Personen aus dem Umfeld eines syrischen Clans sind angeklagt: Sie sollen einen versuchten Ehrenmord in Essen begangen haben.

Sie schlugen ihn, stachen in seine Lunge, skalpierten ihn fast: Nach einer brutalen Attacke auf einen jungen Syrer in Essen hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen 13 Personen aus dem Umfeld eines syrischen Clans erhoben. Zehn Personen werde versuchter Mord vorgeworfen, bei drei Tatverdächtigen geht es um Beihilfe, erklärte Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens am Freitagmittag.

Das 19 Jahre alte Opfer hatte bei dem Angriff am 31. Mai schwerwiegende Verletzungen am Kopf erlitten. Die Polizei war an jenem Tag zu einer Schlägerei zwischen mehreren Männern auf dem Hinterhof eines Getränkemarktes an der Steeler Straße gerufen worden. Die Beamten fanden dort den 19-Jährigen: Blutüberströmt lag er an einer Mauer.

Das Opfer wurde bei dem Angriff "teilskalpiert"

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Die Ermittler erklärten später, dass die Angreifer wohl nur von ihrem Opfer abgelassen hatten, weil sie dachten, dass der junge Mann tot sei. Zuvor hatten sie ihn mit Schlägen und Tritten malträtiert, er erlitt lebengefährliche Stichverletzungen, unter anderem in die Lunge, und schwerste Kopfverletzungen. Laut Rechtsmedizin wurde der 19-Jährige "teilskalpiert". Der Mann konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Er konnte sich von den Verletzungen erholen. Inzwischen gehe es ihm wieder ganz gut, erklärte Jürgens am Freitag.

Die Familienmitglieder hätten sogar Teile der schrecklichen Tat gefilmt. Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens sprach auf einer Pressekonferenz nach der Festnahme der Tatverdächtigen im Sommer von "ganz schrecklichen Bildern", die die Ermittler zu sehen bekamen.

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Der Grund für den brutalen Angriff: Der 19-Jährige soll die Ehre der Familie beschmutzt haben, weil er einen Ehebruch mit einer jungen verheirateten Syrerin (19), Mitglied der Familie, begangen haben soll. Das Verhältnis zwischen den beiden jungen Leuten sei der Familie der Anklage zufolge nicht recht gewesen. Man habe mit dem Tod des jungen Liebhabers die Familienehre wieder herstellen wollen.

Zehn Tatverdächtige sitzen derzeit in U-Haft, darunter die Mutter der jungen Frau. Neben ihr zählen zu den Verdächtigen nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch der Vater der jungen Frau sowie der Ehemann, ein Cousin der Mutter. Nur ein Verdächtiger sei kein Verwandter.

Verhandlung gegen die Clan-Mitglieder beginnt voraussichtlich Anfang 2019

Im Laufe der Ermittlungen erhielten die Beamten auch Einblicke in die Familie. So fanden die Ermittler bei einer Durchsuchung unter anderem einen Kaufvertrag über tausend Dollar und Gold, mit dem die junge Frau offenbar vor zwei Jahren zwangsverheiratet wurde.

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Von Pirkko Gohlke, Hans-Karl Reintjens, Marc Wolko

Essens Polizeipräsident Frank Richter fand nach der Festnahme der Tatverdächtigen im Sommer klare Worte: Er sprach von einer "verabscheuungswürdigen Tat" aus niedrigsten Beweggründen, die mit Ehre nichts zu tun habe. "Wir erleben auch in Essen, dass Clans versuchen ihre Parallelstrukturen aufzubauen. In dem Fall konnten wir vieles über die Strukturen der Clans aufhellen."

Die Verhandlung gegen die Clan-Mitglieder beginnt voraussichtlich Anfang 2019 vor dem Essener Landgericht. (mit dpa)