Essen. Der Essener Grünen-Stadtrat Ahmad Omeirat gab bei “Hart, aber fair“ keine gute Figur ab. Erklärungen seiner Debatten-Gegner ließ er kaum zu.

Angst vor kriminellen Familienclans - Hysterie oder nicht? Schon bei dieser ersten Frage an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) drohte die Diskussion bei "Hart, aber fair" am Montag aus dem Ruder zu laufen. "Wir haben kriminelle Strukturen, die sich in Bandensystemen bündeln - und die passen merkwürdigerweise zu bestimmten Familiennamen", sagte der Minister.

Damit hatte Reul einen sensiblen Nerv von Essens Stadtrat Ahmad Omeirat getroffen. Der Grünen-Politiker fiel dem Minister (nicht nur einmal) gereizt ins Wort: "Also heißt das, dass ein bestimmter Familienname in Zukunft für Sie eine drohende Gefahr ist?" Und warf Reul dann offen vor: "Diese Aussage ist eines Innenministers nicht würdig!"

Omeirat und Benecken stritten kriminelle Clanstrukturen vehement ab

Damit hatte Omeirat den Grundstein für den weiteren Verlauf der Diskussion gesetzt: Immer wieder war sein Puls auf 180, und immer wieder schnitt er den anderen Gästen aggressiv das Wort ab. Von "Clan" wollte Omeirat während der gesamten Diskussion nichts hören, ebensowenig wie sein Meinungspartner, der Anwalt Burkhard Benecken aus Marl.

Die Fronten in der Talkrunde waren von Beginn an klar: Omeirat und Benecken stritten kriminelle Clanstrukturen vehement ab - Minister Reul, die Berliner Oberstaatsanwältin Petra Leister, der aus Dortmund stammende Journalist Olaf Sundermeyer und Sicherheitsdienst-Chef Michael Kuhr dagegen wollten die Probleme klar benennen: Die Familienstrukturen machten Kriminalität in dieser Form erst möglich.

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Aber Kriminalität dürfe nicht ethnisiert werden, so die Forderung von Grünen-Politiker Omeirat. "Da müssen wir uns fragen: Wie weit ist diese Debatte rassistisch?" Der Begriff "Clans" zusammen mit der Nennung von Nationalitäten rege ihn auf - vor allem, weil damit nur Minderheiten getroffen würden.

Schon vorher hatte Omeirat in den Raum gestellt: Wenn Clankriminalität auf Familiennamen reduziert werde, müsse man sich fragen, ob man mit dem Namen "Omeirat" noch in Deutschland leben könne.

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Kurz später folgte ein weiterer Angriff des Essener Grünen-Politikers auf CDU-Minister Reul: Auch Ex-Innenminister Ralf Jäger habe vor der Clan-Problematik gestanden, "aber Jäger ist professionell damit umgegangen", meinte Omeirat hitzig. Reuls Erklärungsversuche schnitt er rigoros ab. Moderator Frank Plasberg musste dem impulsiven Hin und Her mit einem Themenwechsel ein Ende setzen.

Omeirat warf aber nicht nur Landesinnenminister Reul unprofessionelles Verhalten vor, sondern kritisierte auch die Arbeit der Justiz. Bei der Diskussion um eingeschüchterte Zeugen, die nicht vor Gericht erscheinen oder verängstigt ihre Aussage ändern, mahnte er gegenüber Oberstaatsanwältin Leister an: "Sie müssen die Zeugen besser schützen." Leisters Erklärung, dass die Justiz das selbstverständlich tue, stellte er reflexmäßig in Frage.

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Omeirats Meinungspartner, Strafverteidiger Benecken, stellte sogar die Richter selbst ins Fadenkreuz: "Es wird immer wichtiger, einen guten Verteidiger zu haben. Diese mediale Hetzjagd bleibt auch an der Justiz hängen", meinte er. Ein Richter könne kaum neutral bleiben, wenn im Saal 50 Journalisten sitzen und über die Einschüchterung von Zeugen berichten. Aber das ließ Leister nicht auf sich sitzen: "Wir sind überlastet und haben Besseres zu tun, als uns solche Fälle auszudenken und eine Hetzjagd zu starten", verteidigte sie die Justiz.

Stille Moment ohne hitzige Unterbrechungen gab es nur wenige - einer davon: Ahmad Omeirat erzählt über seine Jugend in Essen. Mit zwei Jahren war er mit seiner Mutter aus dem bürgerkriegsgeplagten Libanon geflüchtet. Aber der Start in sein Berufsleben sei frustrierend gewesen: 200 Bewerbungen habe er geschrieben, aber einen Ausbildungsplatz bekam er nicht. "Wir waren ja nur die Kinder der Bürgerkriegsflüchtlinge", sagt er.

Omeirat fordert mehr Integrations- und Sozialarbeit statt stigmatisierender Razzien

Integration sei damals kaum existent gewesen - aus diesen Fehlern müsse man heute lernen, meint Omeirat. Eine Meinung, die die Runde natürlich teilte. Aber die Fehler von damals dürften doch keine Ausrede für die heutigen Probleme sein, warf Reul ein. Das sei doch der Kern des Problems: Damals fielen viele durchs Raster, es entstanden Parallelgesellschaften, daraus erwuchsen kriminelle Clans.

Kriminelle Clans - da hatte Omeirat sein Stichwort wieder: Wer in seinem Schubladendenken von Clans rede, feuerte der Grünen-Politiker dem Minister entgegen, der "meint es mit der Integration nicht ernst". Selbst diejenigen mit deutscher Staatsbürgerschaft würden vom Gerede über Clans vergrault. So könne Integration nicht funktionieren.

Am Ende der hitzigen Runde stand nur eines: Die Probleme sind akut. Aber die Lösungsansätze komplett verschieden: Omeirat fordert mehr Integrations- und Sozialarbeit statt stigmatisierender Razzien. NRW-Innenminister Reul will hart durchgreifen, und Security-Chef Kuhr fordert die konsequente Abschiebung krimineller Ausländer. Näher kamen die Diskussionspartner nicht aneinender heran - echtes Diskutieren sieht anders aus.