Ahmad Omeirat ist bei den Grünen aktiv, stammt aus dem Libanon und sieht sich deshalb Anfeindungen ausgesetzt. Schweigen will er nicht.

Der Brief ist mit unsicherer Handschrift verfasst. „Lieber Ahmad“, steht da zu lesen. Es folgen Drohungen und rassistische Beschimpfungen der übelsten Art. Der Verfasser endet mit „Heil Hitler“.

Es liegt einige Monate zurück, dass Ahmad Omeirat das anonyme Schreiben in seinem Briefkasten gefunden hat. Dass er verunglimpft und angefeindet werde, sei es in Briefen oder in sozialen Netzwerken, diese Erfahrung sei für ihn nicht neu, erzählt Omeirat, der aus einer kurdisch-libanesischen Familie stammt und für die Grünen im Stadtrat sitzt. Doch dieser blanke Hass, der dem 34-Jährigen aus besagten Zeilen entgegenschlägt, ist von einer anderen Qualität. „Ich habe mich zunächst geschämt, weil ich mich als Opfer gefühlt habe“, erzählt Omeirat. Schließlich habe er sich entschieden, den Brief öffentlich zu machen.

Aus dem Brief zitierte er auf der Demo unter dem Motto „Wir sind mehr“

Ein Foto des Schreibens stellt er im sozialen Netzwerk Facebook ein. Und er zitiert daraus am Mikrofon, als jüngst mehrere Tausend unter dem Motto „Wir sind mehr“ in der Innenstadt auf die Straße gehen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Die Menge auf dem Willy-Brandt-Platz ermutigt ihn dafür mit Applaus. Aber Omeirat weiß nur zu gut, dass es andere gibt. Andere, die genau so denken wie der anonyme Absender. So mancher fühle sich in diesen Tagen ermutigt, das auch offen auszusprechen.

Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert, stellt Ahmad Omeirat fest. Es ist noch nicht lange her, da wurden Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. Heute begegnen ihnen nicht wenige mit unverhohlener Ablehnung – oder Schlimmerem. Eine Dame aus dem Seniorenbeirat berichtete jüngst fassungslos von Gesprächen aus ihrer Wandergruppe unter Leuten, die jahrzehntelang SPD gewählt hätten: Man solle die Flüchtlinge doch über der Sahara abwerfen.

Da passiert etwas in der Mitte der Gesellschaft. Viele Menschen sind verunsichert. Nicht nur infolge der Flüchtlingskrise. Kaum eine Woche vergeht, in der die Medien nicht über Machenschaften libanesischer Clans berichten. Erst jüngst sorgten Razzien in der nördlichen Innenstadt für Schlagzeilen, ein tätlicher Übergriff auf eine Polizistin und eine Messerstecherei in einem Döner-Imbiss. Omeirat erzählt von Bekannten, deren Familien wie die seine aus dem Libanon stammen, und die sich fragen lassen müssten: „Was ist denn da bei euch schon wieder los?“ Leidtragende, bedauert er „sind auch diejenigen, die bestens integriert sind“.

„Leidtragende sind diejenigen, die bestens integriert sind“

Ahmad Omeirat war zwei Jahre alt, als er 1983 nach Deutschland kam. Er ist deutscher Staatsbürger. Seine Herkunft will er nicht verleugnen. Aber er will sich auch nicht immer dafür rechtfertigen müssen, nur weil seine Eltern aus dem Libanon kommen und er Ahmad heißt. Omeirat fühlt sich Deutschland zugehörig. Natürlich distanziere er sich von Kriminalität. „Das ist doch selbstverständlich“, betont er, als der Reporter ihn auf libanesische Clans anspricht. Omeirat warnt aber davor, Menschen in Sippenhaft zu nehmen. Als Clans will er sie gar nicht kategorisieren.

Dass er darauf angesprochen, liegt nahe. Omeirat versteht sich selbst als Sprachrohr jener Libanesen, die in Essen nur geduldet werden, teilweise seit Jahrzehnten. Als Ratsherr setzt sich dafür ein, dass sich daran etwas ändert. Wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, dann ist er einer, der Erklärungen liefern soll.

Nicht auf jede Frage, hat er eine Antwort. Warum 80 junge Libanesen das Angebot der Stadt ausgeschlagen haben, den eigenen Aufenthaltsstatus zu verbessern? Omeirat will Hintergründe recherchieren, wehrt sich gegen Schwarz-Weiß-Denken. Und sei es symbolisch. Freitagabend hat er sich in die Menschenkette vor der Kirche St. Gertrud eingereiht. Sein Wunsch: gegenseitiger Respekt.