Essen. Ahmad Omeirat ist Essener Ratsherr, entstammt einem kurdisch-libanesischen Clan und ist auf Gratwanderung zwischen Familienbande und Integration.
- Ahmad Omeirat kandidiert für den Landtag. Grünen-Politiker entstammt kurdisch-libanesischer Familie
- 33-Jähriger Familienvater setzt sich für dauerhaftes Bleiberecht von geduldeten Flüchtlingen ein
- Er selbst will libanesischen Migranten vormachen, wie Integration gelingen kann. Schwierige Community
Ahmad Omeirat schätzt gepflegte Kleidung und ein freundliches Auftreten. Vielleicht würde er heute nicht auf Wahlplakaten um Stimmen werben, hätte sich sein Berufswunsch nach der Schule erfüllt. „Ich wollte gerne Herrenausstatter werden“, erzählt er. Nach fast 200 erfolglosen Bewerbungen gab er auf. „Keiner wollte mich haben. Nicht einmal Billigmodeketten.“
Ahmad Omeirat weiß, wie es sich anfühlt zu scheitern. Aufgegeben hat er nicht. Heute arbeitet er im Geschäft seiner Eltern, ist ehrenamtlicher Politiker. „Auch als Herrenausstatter hätte ich mich wohl politisch eingemischt“, sagt er. Am 14. Mai kandidiert er für den Landtag; die Grünen haben ihn im Wahlkreis Mitte-West aufgestellt. Selbstverständlich ist das nicht für jemanden mit seiner Biografie.
Der 33-Jährige entstammt einer kurdisch-libanesischen Großfamilie, ist Teil jener Minderheit, die in dieser Stadt immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt. 16 Großfamilien verteilen sich auf drei Clans. Rechtsanwälte sind darunter, Ärzte, aber eben auch organisierte Schwerstkriminelle.
Eine patriarchisch geprägte Gesellschaft
Ahmad Omeirat, der seit 2014 für die Grünen im Rat der Stadt sitzt, ist auch angetreten, um der Essener Öffentlichkeit etwas zu beweisen: dass nicht alle Libanesen kriminell sind oder auf dem besten Wege es zu werden. „Ich bin nicht der junge Mann, den die Mafia vorgeschickt hat, um nach Solidarität zu fischen“, sagt er mit ironischem Unterton – und weiß doch nur zu gut, dass es schwer möglich ist, dem eigenen Milieu zu entkommen, ohne mit der Familie zu brechen. Zu eng ist die Bande in dieser patriarchisch geprägten Gemeinschaft, die der deutschen so fremd ist. Es sei eine Frage der Zeit, bis sich das ändert, ist Omeirat überzeugt.
Er selbst sagt, er verachte das Imponiergehabe junger libanesischer Männer, die ihre aufgemotzten Autos vor den Imbisslokalen auf der Friedrich-Ebert-Straße wie selbstverständlich in der zweiten Reihe parken. Und er verachte Drogenhandel und Menschenschmuggel, mit denen Libanesen-Clans einträgliche Geschäfte machen. „Solidarität mit Kriminellen? Nein, das darf es nicht geben.“
In der libanesischen Community bringen sie ihm Respekt entgegen, berichtet ein Kenner der Szene. Ja, man sei sogar stolz darauf, dass es einer der ihren bis in den Stadtrat geschafft hat. Dass sich die Clan-Chefs etwas von Ahmad Omeirat sagen ließen – soweit gehe sein Einfluss allerdings nicht. Schon weil er dafür viel zu jung sei.
Anerkannt in der Community
Omeirat sucht dennoch das Ohr der Älteren, will erreichen, dass jugendliche Libanesen gar nicht erst in kriminelle Milieus abdriften. Im Rat der Stadt macht er sich für ein gesichertes und dauerhaftes Bleiberecht von Libanesen stark, die nur Duldungsstatus haben, manche seit Jahrzehnten. Manche behaupten, er fokussiere sich als Kommunalpolitiker zu sehr auf diese Rolle.
„Ich mache den Libanesen“, bestätigt Omeirat. Darauf reduzieren lassen will er sich aber nicht, nennt sein Engagement beim Messe-Bürgerentscheid und für die Trinkerszene. Richtig ist aber: Bei keinem anderen Thema wird Omeirat so emotional wie beim Thema Duldung. Für ihn ist ein gesicherter Aufenthaltsstatus der Schlüssel zur Integration. Er selbst hat es vorgelebt und hatte dabei Glück, dass sein Vater erst als Asylbewerber anerkannt und in den 1990er Jahren deutscher Staatsbürger wurde.
Duldung hat einen Vorteil: Sie schützt vor Abschiebung
Rund 1100 der etwa 6000 in Essen lebenden kurdischen Libanesen aber sind ungeklärter Herkunft; ihre Familien stammen aus dem heutigen türkisch-syrischen Grenzgebiet. Mit Ende des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg wurden sie zu Staatenlosen. Die ungeklärte Herkunft wird quasi von Generation zu Generation vererbt, so auch die Duldung.
Omeirat will die Älteren überzeugen, dies im Sinne ihrer Kinder zu ändern, in dem sie sich um die türkische Staatsbürgerschaft bemühen. Für viele kurdische Libanesen wäre das ein legaler Weg zu einem dauerhaften Bleiberecht. Aber nicht jeder hat ein Interesse daran, seinen Status zu ändern. Denn Duldung aufgrund ungeklärter Herkunft hat einen Vorteil: Sie schützt vor Abschiebung.
Kritiker werfen dem Grünen-Politiker vor, zu kurz zu springen. Ein deutscher Pass mache einen Kriminellen noch lange nicht zu einem braven Staatsbürger. Auf Kritik reagiere Omeirat nicht selten undifferenziert. Er neige dazu, Fehlverhalten von Mitgliedern der Community zu verteidigen, das er selbst gar nicht zu verantworten hat. All das mag zum einen in seiner Herkunft begründet sein, zum anderen darin, dass er ein Grüner ist. Migranten gelten in seiner Partei eben zuallererst als Opfer.
Ein Angriff unter die Gürtellinie
Omeirat macht das angreifbar, auch für Schläge, die er als unterhalb der Gürtellinie empfindet. Jüngst musste er im Lokalmagazin „Informer“ lesen, seine Frau habe sich die deutsche Staatsbürgerschaft durch falsche Angaben bei der Ausländerbehörde erschlichen. Auf Anfrage sagen Stadt und Staatsanwalt, ihnen liege nichts vor, dass diese Behauptung bestätigen würde. Omeirat hat der Vorwurf getroffen. Mehr noch seine Frau, die er beruhigen musste. „Ich will professionell damit umgehen“, sagt er. Klein beigeben will er nicht.
Achmed Omeirat wird sich am Sonntagabend nicht im Landtag wiederfinden, ohne Absicherung auf der Landesliste ist das undenkbar. Als Kandidat darf er sich aber schon ein wenig als Sieger fühlen.