Essen/Gelsenkirchen. . Vor dem ersten WAZ-Familienforum haben viele Leser der Redaktion ihre Nöte beschrieben. Groß ist die Kritik an Kitabeiträgen und der OGS.

Miriam El-Ferdaous hat es vor zwei Jahren erwischt. Ihr Sohn Samuel wechselte von der Kita in die Grundschule, ein aufgeregter Junge stand da vor ihr, mit selbstgebastelter Schultüte in Fußball-Optik und Vorfreude auf den Sportunterricht. Der Frust kam für die alleinerziehende Mutter kurz darauf: Weil sie an der Grundschule keinen dauerhaften Platz in der Nachmittagsbetreuung für ihren Sohn erhalten habe, so El-Ferdaous, musste die 44-Jährige ihre Teilzeitstelle als Verkäuferin aufgegeben.

„Als mein Sohn in der Kita war, konnte ich ohne Probleme arbeiten, weil er bis nachmittags betreut wurde“, sagt die Alleinerziehende. „Warum klappt das nicht in der Schule?“

Familie und Job schwer zu vereinen

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sie treibt Leserinnen und Leser der WAZ besonders um. Für das erste WAZ-Familienforum am Mittwoch, 10. Oktober, hat die Redaktion Eltern aufgerufen, von alltäglichen Hürden zu berichten.

Zig Kommentare haben die Redaktion erreicht. Besonders scharf gehen Eltern mit der Frage ins Gericht, wie sie Job und Kind unter einen Hut bekommen sollen. Laut ist die Kritik an Kita-Kosten, ausfallenden Schulstunden und Platzmangel in der Nachmittagsbetreuung von Grundschülern, der OGS.

Wettstreit um die OGS-Plätze

Miriam El-Ferdaous gehörte zu den Eltern, die genau das ärgert. Über 20 Jahre hat die Gelsenkirchenerin als Fachverkäuferin gearbeitet, zunächst in einer Bäckerei, nach der Geburt ihres Sohnes in einer Fleischerei. „Ich habe immer gerne gearbeitet und will wieder arbeiten, aber alleinerziehend und ohne Betreuung, keine Chance.“

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In der Familie gebe es niemanden, der ihr regelmäßig helfen könne, weshalb sie sich um einen OGS-Platz beworben habe. El-Ferdaous sagt, Samuel habe zunächst eine Betreuung bis 13 Uhr erhalten. Zu kurz, als dass sie weiter in Teilzeit arbeiten könnte, sagt sie. „Es ist nicht nur der Alltag. Es fallen Stunden aus, es gibt Brückentage“, sagt El-Ferdaous.

Sie mache weder der Schule noch ihrer Chefin einen Vorwurf, als ihr Job gekündigt wurde. „An unserer Grundschule gibt es 70 OGS-Plätze, da gibt es einen regelrechten Wettstreit.“

Seit Jahren treibt das Land den OGS-Ausbau voran. In NRW nehmen inzwischen über 308.000 Grundschüler nachmittags Hausaufgabenhilfe oder Freizeitangeboten in Anspruch.

Das Land gibt dafür 2018 mehr als 480 Millionen Euro aus. Bis 2025 will der Bund so viele Plätze schaffen, dass Eltern wie bei der Kita einen Rechtsanspruch auf die von Land und Städten finanzierte Betreuung erhalten.

Derzeit sichern einzelne Revier-Städte den Eltern Plätze zu, seit 2003 Oberhausen. Anderswo führen Städte Vorranglisten und laut Verbänden auch Wartelisten.

3300 OGS-Plätze in ganz Gelsenkirchen

In Gelsenkirchen etwa, der Stadt, in der Miriam El-Ferdaous lebt, gibt es keinen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Eltern und Alleinerziehende, die berufstätig sind, werde grundsätzlich Priorität bei der Vergabe eines der rund 3300 OGS Plätze oder einem Platz der 1520 Plätze in der sogenannten verlässlichen Grundschule eingeräumt.

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Letzteres ist ein Betreuungsprogramm, das an 38 Schulstandorten zusichert, dass Kinder dort bis 13 Uhr und bereits vor Schulbeginn beaufsichtigt sind. Mit Verlust ihrer Teilzeitstelle hat El-Ferdaous diesen Vorrang eingebüßt.

„OGS darf keine Glückssache sein“

Während Stadtvertreter bezweifeln, dass ein Rechtsanspruch zu stemmen ist, fordern Sozialverbände schnellere Hilfe für die OGS. In NRW fehlten einheitliche Standards, Raumgrößen und Personalquote seien von Stadt zu Stadt verschieden. „OGS darf keine Glückssache sein“ lautet die Kampagne, mit der Verbände ein Landesgesetz und höhere Zuschüsse aus Düsseldorf fordern.

Die NRW-Regierung aus CDU und FDP hatte die OGS-Pauschalen auf über 1500 Euro pro Jahr und Kind zwar erhöht. Nötig, heißt es von der Caritas, sei aber das Doppelte. Zudem müssten die Städte mehr OGS-Räume einrichten. Der Mangel an Plätzen komme vor allem vom Raummangel.

Miriam El-Ferdaous hat noch maximal zwei Jahre zu überbrücken. Dann wechselt ihr Sohn auf eine weiterführende Schule. Die alleinerziehende Mutter hofft: „Vielleicht will er ja auf eine Gesamtschule.“ Da gebe es nachmittags Unterricht.