Essen. Essens Sparkassen-Chef erklärt im Interview, welche Filialen als nächstes dicht gemacht werden und wie er die Bank für die Zukunft fit macht.

Herr Schiffer, Sie sind leidenschaftlicher Radfahrer und Schachspieler. Ausdauer oder Strategie – welche Eigenschaft ist für einen Sparkassen-Chef wichtiger?

Schiffer: Im Grunde geht es nur mit dieser Kombination. Vordenken sollte man seine Entscheidungen sowieso immer, und man muss dann die Mitarbeiter gewinnen, den Weg mitzugehen. Um jedoch eine Kultur zu verändern, braucht man Ausdauer. Denn per Anordnung kann man nichts erreichen. Damit alle Mitarbeiter einen Veränderungsweg mitgehen, braucht man einfach Zeit.

Sie stehen selbst seit fast genau 40 Jahren im Dienste der Sparkasse. Eine lange Zeit mit vielen Veränderungen.

Da hat sich in der Tat vieles massiv verändert. Früher waren die Kunden quasi gezwungen, unsere Filialen zu besuchen. Sie mussten zu uns kommen, um ihren Lohn abzuholen, den Dauerauftrag einzurichten oder zu ändern oder die Kontoauszüge abzuholen. Heute betritt doch deswegen kaum noch einer eine Filiale. Auf dem Handy ist das für den Kunden viel bequemer und einfacher, weil er das dann tun kann, wann er will und nicht, wann seine Bank geöffnet hat.

Eine Entwicklung, die dazu führt, dass auch die Sparkasse in Essen bis zum Jahr 2020 mehrere Filialen schließt. Wie weit sind Sie in diesem Prozess, den Ihr Vorgänger 2016 angestoßen hat?

Der Plan bestand darin, von den damals 49 Filialen 14 zu schließen und zum Teil in reine Selbstbedienungsstandorte umzubauen. Bislang haben wir neun Filialen in benachbarte übergeleitet, mit der Filiale Flora in Rüttenscheid und Frillendorf folgen jetzt im September und Oktober zwei weitere. Vogelheim wird im ersten Quartal 2019 geschlossen und in die Filiale Altenessen Nord integriert. Damit bleiben dann noch zwei Standorte, über die wir im Moment noch nichts sagen wollen, weil noch nicht alle Fragen geklärt sind. Wir werden die Kunden aber wie in allen Fällen rechtzeitig informieren.

In einigen Stadtteilen wie zuletzt in Rüttenscheid gab es richtigen Widerstand der Kunden. Hat Sie das überrascht?

Im Grunde finde ich das klasse. Es ist doch ein gutes Signal, wenn man um uns kämpft.

Der Widerstand nützt aber nichts.

Wir haben mit vielen Kunden gesprochen. Ich habe manche persönlich angerufen, um herauszuhören, was sie ärgert. Manchmal sind es rationale Dinge, oft aber auch sehr emotionale. Bei der Flora haben sich manche beschwert, weil sie ihre neue Filiale nicht mehr mit der U-Bahn erreichen können, weil dort die U-Bahn-Rolltreppe kaputt ist. Das ist natürlich nicht unser Problem. Wir hören aber trotzdem hin, und schauen, was wir machen können. Dem Awo-Wohnheim Gotthard-Daniels-Haus in der Nähe der Filiale Florastraße werden wir in der Woche eine Sprechstunde anbieten. Außerdem haben wir auch noch den Bargeld-Bringdienst. Dann bekommen wir zwar entgegengehalten, dass das zu unsicher sei. Aber ist es besser, eine große Geldsumme am Automaten abzuheben und damit durch die Straße zu laufen?

Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Kunden für diese Dienstleistung zusätzlich zahlen müssen.

Das stimmt, der Bargeld-Bringservice kostet 5 Euro. Aber wir als Sparkasse haben zumindest noch diese Dienstleistung. Andere nicht.

Das Beispiel zeigt auch: Die Digitalisierung hängt gerade ältere Menschen ab. Haben Banken nicht aber die Verantwortung, dass dies nicht passiert?

Wir sorgen ja dafür, dass möglichst viele nicht zurückbleiben. Aber das macht es auch sehr anspruchsvoll. Einerseits sollen wir noch Leistungen wie vor 50 Jahren anbieten, andererseits müssen wir auch hochmodern und digital sein. Das muss am Ende aber alles bezahlbar bleiben. Im Grunde schließt doch nicht der Vorstand die Filiale, sondern der Kunde, weil er nicht mehr kommt. Aber bei allen Veränderungen auch in unserem Filialnetz, sind wir ja noch sehr präsent in der Stadt. Außerdem werde ich in wenigen Wochen die größte Filiale der Sparkasse Essen hier in unserer Hauptstelle eröffnen. Über 40 Mitarbeiter, alles ausgebildete Bankkaufleute, werden von hier aus Kunden online beziehungsweise telefonisch beraten. Schließlich entscheidet heute der Kunde, über welchen Kanal er mit uns Kontakt aufnehmen will. Und wir müssen alle Kanäle anbieten.

Wie geht es nach dem Jahr 2020 weiter, wenn die 14 Filialen geschlossen sind. Bleibt es bei den verbleibenden 35 Zweigstellen?

Wir haben aktuell keine anderen Planungen. Ich möchte, dass jetzt erstmal Ruhe in den Filialen einkehrt. Denn wir reden dabei ja nicht nur über die menschliche Seite der Kunden, sondern auch die der betroffenen Mitarbeiter, die einen neuen Arbeitsplatz haben. Das muss sich einspielen.

Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal einkaufen, und wie haben Sie bezahlt?

Ich war vergangenen Samstag einkaufen und habe kontaktlos mit meiner Sparkassenkarte bezahlt.

Dann sind Sie aber eher kein typischer Sparkassen-Kunde, oder?

Warum? Der Anteil der Kunden, die bargeldlos zahlen, steigt. Und besonders rasant entwickelt sich die Zahl der Kunden, die kontaktlos zahlen. Mit der Karte geht das bei uns schon länger. Das kontaktlose Bezahlen per Android-Smartphone funktioniert seit 1. August.

Viele Ihrer Kunden werden vielleicht sagen, das brauche ich gar nicht.

Bei uns kann ja jeder das machen, was er möchte. Wir brauchen auch Angebote für Kunden, die bei den neuen Entwicklungen vorne dabei sein wollen. Ich selbst bin nicht der Digitalste, aber es gibt neue Dienste, die sind einfach bequem. Bei uns kann aber auch jeder weiter mit Bargeld bezahlen. Kein Problem.

Sparkasse lässt Kontogebühren erstmal unangetastet 

Die Zinserträge sind die wichtigste Einnahmequelle bei allen Sparkassen. Diese sind wegen der Niedrigzinsphase aber seit Jahren schon massiv unter Druck. Wie steuern Sie gegen? Kosten runter oder höhere Gebühren für Ihre Kunden?

Wir wollen mehr Geschäft machen, um trotz sinkender Margen mehr Einnahmen zu erzielen und das alles bei hoher Kostendisziplin. Insbesondere im Kreditgeschäft mit Firmenkunden sehe ich noch Potenzial, obwohl wir da schon im ersten Halbjahr gewachsen sind. Auch bei den Wohnungsbaukrediten ging es nach einer Delle im vergangenen Jahr in den ersten sechs Monaten wieder nach oben. Wir wollen aber auch im Wertpapiergeschäft noch zulegen. Wir haben rund 240 000 Privatkunden. Und da ist noch nicht alles ausgeschöpft. Der Schlüssel für mehr Geschäft ist eine hochgradig gute Beratung. Die Straffung unseres Filialnetzes ist deshalb auch keine Überlegung rein aus Kostengründen. Es geht um mehr und bessere Beratung, und die lässt sich nicht in allen kleinen Filialen organisieren. Sie können nicht an jedem Ort für jedes Thema einen Experten sitzen haben.

In diesem Punkt spielt Ihnen die Niedrigzinsphase sogar in die Karten. Denn wenn man als Kunde aufs Sparbuch keine Zinsen mehr bekommt, muss man nach Alternativen suchen.

Es trifft zu, dass immer mehr Menschen verstehen, dass sie Geld inflationsbedingt verlieren, wenn sie es nur auf dem Konto liegen lassen. Dann ist unsere Expertise gefragt. Das ist aber ein langer Weg, denn die Anlagekultur in Deutschland ist nicht auf Aktien ausgelegt.

Die Hamburger Sparkasse verlangt jetzt von Privatkunden, die mehr als 500 000 Euro Kontoeinlagen haben, 0,4 Prozent Strafzinsen. Ein denkbarer Weg auch in Essen?

Das ist für uns kein Thema, von Privatkunden Minuszinsen zu nehmen. Bei großen Firmenkunden haben wir das längst, aber die akzeptieren die Mechanismen dahinter. Schließlich haben wir das ja nicht organisiert, sondern die Europäische Zentralbank.

Sind in nächster Zeit höhere Kontogebühren geplant?

Nein.

Hat Sie die Protestwelle nach der Gebührenerhöhung für das Kontomodell „Giro Direkt“ im April so zurückhaltend gemacht?

Alles macht man nie richtig. Künftig würden wir wohl gezielter kommunizieren. Dass wir mit dieser Gebührenanhebung bei dieser Art Konto einen gewissen Nerv treffen würden, war uns schon vorher bewusst. Aber unsere Mitarbeiter haben es fast immer geschafft, die Kunden in persönlichen Gesprächen zu überzeugen und mit ihnen zu prüfen, ob das noch das richtige Kontomodell ist. Die Kündigungen hielten sich am Ende in Grenzen.