Essen. . Der zu sieben Jahren verurteilte Yusuf T. hat in der Haft ausgepackt. Ein Duisburger Reisebüro-Inhaber habe ihn in den Anschlagsplänen bestärkt.
Hasan C. lächelt. Immer wieder schüttelt er den Kopf – ob aus echter Empörung oder weil er schauspielert, lässt sich kaum deuten. Wenige Meter von ihm entfernt, im Zeugenstand, erzählt ein Polizeibeamter von den Vorwürfen gegen den 52-Jährigen. Er habe den „Tempelbomber“ von Essen, Yusuf T., in seinen Anschlagsplänen bestärkt. Er habe als inoffizieller Anführer einer Gruppe von radikalisierten Jugendlichen gedient und den IS verherrlicht, er habe in einem Rekrutierungsnetzwerk eine wichtige Position innegehabt.
Die Vorwürfe, die Yusuf T. gegen den Türken aus Duisburg und die weiteren Angeklagten erhebt, sind massiv. Der Ermittler war bei dessen Vernehmungen dabei. Er wiederholt die Aussagen vor dem Oberlandesgericht in Celle, wo seit fast einem Jahr der Prozess gegen den Hildesheimer Prediger Abu Walaa und vier seiner mutmaßlichen Helfer wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) läuft.
Im Gefängnis holt Yusuf T. zum Schlag gegen mutmaßliche Drahtzieher aus
Yusuf T. war wegen des Anschlags auf den Sikh-Tempel in der Bersonstraße im Nordviertel im April 2016 zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Vor einigen Monaten, das Verfahren gegen den Prediger Abu Walaa und andere läuft längst, holt der heute 18-Jährige im Gefängnis zum Schlag aus.
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Ermittlern erzählt er, sie seien für seine Radikalisierung verantwortlich gewesen. Doch jetzt will er nicht mehr reden, nicht vor Gericht – und das stößt bei den Verteidigern auf deutlichen Unmut: Die Aussagen des Zeugen würden nun durch die Hintertür eingeführt, indem einfach die Ermittler zu den Vernehmungen befragt würden.
Über das Aussteiger-Programm „Wegweiser“ für Islamisten erfährt die Polizei, dass Yusuf T. gegen Abu Walaa und die anderen Angeklagten aussagen möchte. Stundenlang vernehmen ihn die Ermittler im Frühjahr in der JVA Iserlohn. Davon erfahren die Prozessbeteiligten in Celle zunächst nichts. Besonders pikant: Gegen Yusuf T. läuft ein weiteres Verfahren – wovon der 18-Jährige wiederum nichts weiß. Es geht um die Whatsapp-Gruppe „Unterstützer des Islamischen Kalifats“, in der sich bis zu 13 salafistische Jugendliche aus dem Ruhrgebiet austauschten. Die Bundesanwaltschaft ermittelt, ob Yusuf T. eine terroristische Vereinigung gegründet hat.
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Eine Polizeibeamtin bestätigt in Celle, dass Yusuf T. erst im Laufe der Vernehmungen von den Ermittlungen erfahren hat. Über die Gründe schweigt sie sich aus. Er fühlt sich daraufhin getäuscht, sein Anwalt rät, von seinem Auskunfts-Verweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Das Gericht lädt ihn als Zeugen wieder aus.
„Geil auf den Kampf gemacht“
Trotzdem bleibt der „Tempelbomber“ im Fokus: Am Dienstag berichtet ein Beamter des Landeskriminalamtes von den Begegnungen: Er schildert einen jungen Mann, der sich geläutert gibt, sich von seiner Vergangenheit distanzieren will. Die Sätze seien förmlich aus ihm herausgesprudelt.
Tatsächlich lässt der junge Mann den Ermittlern zufolge kein gutes Haar an seinen ehemaligen „Lehrern“ und Vorbildern. Hasan C., dessen Islam-Unterricht in einem Duisburger Reisebüro er regelmäßig besuchte, habe von seinen Anschlagsplänen gewusst – wenn er wohl auch keine Details kannte. „Yusuf T. hatte den Eindruck, dass sich Hasan C. mordsmäßig darüber freut“, erzählt der Beamte. Er sei sehr stolz gewesen, habe Tränen in den Augen gehabt und die Jugendlichen „geil auf den Kampf gemacht“. Yusuf T. habe sich bestätigt gefühlt, einen Anschlag zu begehen. Der IS habe im Unterricht eine große Rolle gespielt, es seien Videos von Kriegshandlungen und Anschlägen gezeigt worden.
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Yusuf T. fertigt für die Ermittler auch eine Skizze an: Die Angeklagten hätten sich um das Rekrutieren neuer Anhänger insbesondere im Ruhrgebiet gekümmert, um deren Ausreise in die IS-Kampfgebiete, um mögliche Anschlagswillige in Deutschland sowie die Waffenbeschaffung. Abu Walaa sei der Deutschland-Verantwortliche gewesen, die Mitangeklagten Hasan C. und Boban S. die Gebietsverantwortlichen in NRW.
Doch wie glaubwürdig sind seine Aussagen? Wie kann er sie untermauern? Die Verteidiger werden vorerst keine Möglichkeit haben, ihre Fragen loszuwerden. Es sei grob fahrlässig gewesen, Yusuf T. hinter geschlossenen Türen zu vernehmen, wettert Anwalt Ali Aydin. „Das Verfahren entwickelt sich zum Schauprozess.“