Essen. . Wird die Essener Tafel den vorübergehenden Aufnahmestopp von Ausländern beenden? Am Dienstag trifft sich der Vorstand des Trägervereins zur Krisensitzung, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Nach der massiven Kritik am vorübergehenden Aufnahmestopp der Essener Tafel für Ausländer berät der Vereinsvorstand am Dienstag in einer Krisensitzung über mögliche Konsequenzen. Der Vorsitzende Jörg Sartor kündigte für Dienstagnachmittag nach der außerordentlichen Vorstandssitzung eine Pressemitteilung an. Nähere Angaben zu den Inhalten der Sitzung machte der 61-Jährige nicht. Beobachter gehen davon aus, dass der Vorstand über alternative Möglichkeiten beraten wird, die Essensausgabe zu regulieren.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nehmen an der Sitzung auch Vertreter des Landesverbandes und des Bundesverbandes der Tafeln teil. Sartor ist selbst einer von zwei stellvertretenden Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen. Im Bundesland gibt es 170 Tafeln.

Bundesverband hatte die Entscheidung der Tafel kritisiert

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Der Bundesverband der Tafeln hatte die Entscheidung der Essener Tafel vergangene Woche kritisiert. "Den Essener Weg können wir so nicht nachvollziehen", hatte der Vorsitzende des Dachverbands, Jochen Brühl, der dpa gesagt. "Für Tafeln zählt die Bedürftigkeit, nicht die Herkunft."

Die Essener Tafel, die Lebensmittelspenden kostenlos an registrierte Empfänger von Sozialleistungen ausgibt, vergibt Berechtigungen seit dem 10. Januar vorübergehend nur noch an Bürger mit deutschem Ausweis. Begründet wird dies mit einem angeblich zu hohen Anteil an Ausländern, weshalb sich etwa viele ältere Menschen nicht mehr wohlfühlten und das Hilfsangebot nicht mehr wahrnähmen.

In einem Interview mit der "Bild"-Zeitung äußerte Sartor sich frustriert. "Es hat mir hier immer Spaß gemacht. Aber ich habe keinen Bock mehr, man verliert einfach die Lust. Ich bin kurz davor, hinzuschmeißen."

Unbekannte beschmierten Fahrzeuge der Tafel mit Parolen wie "Nazis"

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Von Martin Spletter und Marcus Schymiczek

Sartor verwahrte sich gegen den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit. "Wenn uns einer vorwirft, wir wären ausländerfeindlich oder rechtsradikal oder rassistisch - mit Verlaub gesagt, der hat sie nicht mehr alle auf dem Zaun", sagte Sartor gegenüber dieser Zeitung. Er verteidigte die Entscheidung: Kunden wie etwa ältere Frauen hätten sich nicht mehr wohlgefühlt, weil es ein Ungleichgewicht gebe. Viele Migranten würden sich anders benehmen. "Die Anstellmentalität ist häufig nicht so da, die Erwartungshaltung ist höher. Es ist so, dass viele meinen, wir wären verpflichtet, Lebensmittel auszugeben, wir wären eine staatliche Einrichtung. Sind wir aber nicht", betonte er. "Es ist ja nicht so, dass sich nur unsere Kunden nicht mehr wohlgefühlt haben, sondern auch unsere Mitarbeiter."

Am Wochenende hatten Unbekannte Türen und Fahrzeuge des Vereins mit Parolen wie "Nazis" beschmiert. Die Polizei vermutet einen Zusammenhang mit der Debatte um den Aufnahmestopp. Die Ermittlungen des Staatsschutzes dauerten am Montag an. Die Polizei hofft auf Zeugen.

Update: Nach Krisensitzung am Dienstag: Der Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel bleibt vorerst bestehen. Nun soll ein Runder Tisch einberufen werden. Mehr Informationen dazu finden Sie hier. (dpa)

Informationen zur Essener Tafel

Wie viele Menschen erreicht die Essener Tafel?

In 13 Verteilstellen gehen die Lebensmittel jede Woche an rund 6000 Menschen. Die Tafel beliefert darüber hinaus nach eigenen Angaben knapp 110 soziale und karitative Einrichtungen wie Mittagstische in sozialen Brennpunkten oder Anlaufstellen für Obdachlose mit weiteren rund 10 000 Menschen. Bundesweit verteilen die Tafeln die Lebensmittel regelmäßig an bis zu 1,5 Millionen Bedürftige.

Wer macht die Arbeit?

In Essen sind es 120 ehrenamtliche Helfer, die Lebensmittel sammeln, sortieren und verteilen. Die Waren werden von Lebensmittelmärkten, Produzenten, Großhändlern und Bäckereien gespendet. Mit sechs Kühlfahrzeugen sammeln die Ehrenamtlichen die Waren ein und bringen sie zu den Ausgabestellen.

Wer darf zur Essener Tafel gehen?

Jeder, der seine Bedürftigkeit nachweisen kann: Empfänger müssen Hartz IV, Grundsicherung oder Wohngeld beziehen. In Essen erhalten die Kunden nach erfolgreicher Anmeldung eine Kundenkarte und eine feste Abholzeit einmal in der Woche. Bei der Anmeldung muss sich der Kunde entscheiden, an welcher der Verteilstellen er die Lebensmittel erhalten möchte. Jeder Erwachsene muss pro Ausgabe einen Euro Schutzgebühr bezahlen. Wer seinen Termin nicht einhalten kann, muss sich telefonisch abmelden. Wer das drei Mal versäumt, verliert die Berechtigung. (dpa)

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