Essen. . Unüberlegt angeschafft, rasch unerwünscht: Die Folgen des Welpenkaufs übers Netz beschäftigen die Tierschützer – ebenso alte und kranke Tiere.
Der schwarze Mischling Bageera ist etwa fünf Jahre alt, doch er hat schon mehrfach sein Zuhause verloren. Der kleine Rüde ist ein Beispiel für den Tierhandel im Internet und dessen Folgen. Diese oft unüberlegten Welpenkäufe beschäftigen die Pfleger im Tierheim an der Grillostraße immer häufiger: „Am Samstag gekauft, am Dienstag im Tierheim“, beschreibt Mitarbeiterin Andrea Busch drastisch, was für sie zum Alltag gehört, da auf Portalen selbst Rasse-Welpen mitunter zu Ramschpreisen verkauft würden.
Ein weiterer Trend, der sich zum Bedauern der Tierschützer fortsetzt:
„Unter den 121 Hunden, die im Vorjahr abgegeben worden sind, sind viele verhaltensauffällig, krank oder alt bei uns ankommen“, sagt Andrea Busch. Um die Vermittlungschancen zu erhöhen, setzt das Tierheim sein Ü-9-Projekt fort. Dabei werden Hunde, die mindestens neun Jahre alt und/oder krank sind mit einem Pflegevertrag vermittelt. Das Tierheim bleibt der Eigentümer und übernimmt Kosten für Behandlungen und Medikamente. Auf diesem Weg fanden im Vorjahr 18 Hunde ein neues Zuhause, darunter Langzeitinsassen, die fünf Jahre lang im Heim lebten.
Großes Leid, viel Arbeit und hohe Kosten
Wenn sie ankommen, bringen die Hunde eine breite Palette mit: vom verfilzten Fell, über nicht behandelte Krankheiten bis zu Beißvorfällen („Davon erfahren wir oft nichts“). Für die Tiere bedeutet ihre Vorgeschichte mitunter großes Leid, für die Tierschützer viel Arbeit, Zeit und auch hohe Kosten. Sie versorgen und pflegen die Tiere nicht nur, sie trainieren auch mit ihnen, um sie zu sozialisieren und so auf ein neues Zuhause vorzubereiten. „Wer bis zu sechs Mal weitergereicht worden ist, muss erst wieder Vertrauen fassen und Verlustängste überwinden“, erklärt Tierpflegerin Djanah Mostowfi.
Derzeit tollen drei Welpen durchs Büro im Tierheim, um möglichst viel Kontakt zu Menschen zu haben, nachdem sie wochenlang im kleinen, gekachelten Zimmer in Quarantäne saßen. Ihre bisherige Biografie: im Ausland gezüchtet, günstig im Internet angeboten, vom Veterinäramt beschlagnahmt. „Weil der gültige Tollwutschutz fehlte, kamen sie zu uns“, sagt Andrea Busch.
Bonnie wartet seit vier Jahren im Tierheim
Auch Emilia (2) stammt aus einer Massenzucht durch „unseriöse Händler“
und kam mit extremen Hautproblemen ins Heim. „Weil sie klein und süß ist, haben wir viele Anfragen“, sagt die Tierpflegerin. Doch die Tierärzte haben bei dem Havaneser-Mix die Ursache für die kahlen Stellen und die feuerrote Haut noch nicht gefunden, so dass keine Kinder oder Haustiere im Haushalt leben sollten.
Für Bonnie (Schäferhund-Mix) gab es bisher nur wenige Interessenten, die Hündin lebt seit vier Jahren im Tierheim. „Sie ist aktiv, schwimmt gern und fährt problemlos im Auto mit“, beschreibt Djanah Mostawfi, verschweigt aber nicht, dass es mit Bonnie schwierig werde, wenn man etwa ihre Pfoten kontrollieren oder sie bürsten wolle. Das erfordere einen Maulkorb. Nun zählt die zehnjährige Hündin zum Ü-9-Projekt.
Eine Chance für den alten, liebenswerten Benji
Dieses soll auch die große Chance für den fast blinden und ertaubten Benji sein. Er ist ein Notfall im Tierheim, wo sein Schicksal alle rührt. „Der Cocker Spaniel wurde im erbärmlichen Zustand abgegeben“, beschreibt Djanah Mostawfi. Die Ohren seien stark entzündet gewesen, der Rüde habe kaum drei Schritte gehen können.
Die Pfleger haben ihn behandelt, getrimmt und gebadet. „Er lässt alles problemlos über sich ergehen, dabei müssen ihm die Ohren sehr weh getan haben“, sagt die Pflegerin und kniet neben Benji, der freudig an ihr hochklettert. Der Rüde sei einfach liebenswert, verschmust und geht inzwischen gern eine halbe Stunde spazieren. Ihn danach wieder allein im Zwinger zu lassen, zerreißt im Tierheim allen das Herz. Deshalb suchen die Mitarbeiter dringend jemanden, der Benji ein neues Zuhause gibt und sich darauf einlässt, dass dem Cocker Spaniel nicht mehr ganz so viel Zeit bleibt.
>>Ü-9-PROJEKT FÜR KATZEN UND KONTAKT ZUM TIERHEIM
Neben 121 Abgabe-Hunden kamen im Vorjahr 169 Fundhunde ins Tierheim. „144 wurden wieder abgeholt“, sagt Andrea Busch. Bei den Katzen sehe das ganz anders aus: Von 382 Fundkatzen blieben 304 im Tierheim.
Bei ihrer Vermittlung gibt es das Ü-12-Projekt. Das gilt auch für Kater Calvin, der bislang immer Pech hatte. Calvin ist freundlich, verschmust, verspielt, aber auch chronisch unsauber. Kater Roland wiederum leidet an einer Immunschwächekrankheit (FIV), die seine Vermittlung erschwert.
Weitere Infos zur Vermittlung, zum Projekt und den Tieren gibt es im Tierheim: 83 72 350, www.tierheim-essen.de