Essen. . Freispruch für Dirk K., der drei Jahrzehnte in der Psychiatrie saß, erinnert an eines der grausamsten Verbrechen der Essener Kriminalgeschichte.

Der Mann, von dem viele glaubten, er habe Nara Michael ermordet, wurde am Donnerstag freigesprochen – nach über 31 Jahren in der geschlossenen Psychiatrie. Es war ein Fall, der die ganze Stadt erschütterte: Am 22. April 1985 ging ein siebenjähriger Junge von der elterlichen Wohnung in Stadtwald zum nah gelegenen Spielplatz. Er kehrte nie zurück. Nara Michael traf seinen Mörder, der ihn missbrauchte und erwürgte.

Mit einem Großaufgebot samt Hubschraubern suchte die Polizei damals das Gebiet um den Schellenberger Wald ab, nachdem die Eltern ihren Sohn gegen 20.15 Uhr als vermisst gemeldet hatten. Am Dienstagmorgen um 8.10 Uhr hatten sie die schreckliche Gewissheit: Die Beamten fanden Nara Michael 300 Meter von Zuhause entfernt, die Leiche des kleinen Jungen lag in einem Ilexgebüsch. „Es bot sich das Bild eines Sexualverbrechens“, erklärten Mordkommission und Staatsanwaltschaft. Das Kind war teilweise entkleidet, hatte Verletzungen am Hals.

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Den Wald durchkämmten 60 Polizeibeamte dann weiter nach Spuren und Tatwaffe, berichtete diese Zeitung. Allein, es gab keine heiße Spur. Bis die Ermittler Hinweis Nr. 81 nachgingen, der sie zu einem Verdächtigen führte. Am 29. April 1985, während die Familie sich am Grab verabschiedete, nahm die Polizei seinen angeblichen Mörder fest: Dirk K., 21 Jahre alt, geistig behindert und aus der Nachbarschaft des Jungen.

An diesem Nachmittag schrie Nara Michael

Bei seiner Vernehmung erzählte dieser von seiner Begegnung mit Nara Michael auf dem Spielplatz: Der Junge stand allein vor der Rutsche. Dirk K. habe ihn angesprochen, doch der Siebenjährige lief weg. Der junge Mann eilte hinterher, holte Nara Michael ein, zerrte ihn ins Gebüsch. Laut Polizei soll der 21-Jährige sich bereits früher kleinen Jungen genähert und „bei günstiger Gelegenheit sexuelle Handlungen an ihnen vorgenommen haben“. Gewalttätig soll er bis dahin aber nie gewesen sein.

An diesem Nachmittag schrie Nara Michael. Da legte der 21-Jährige die Hände um den Hals des Kindes und würgte es, um nicht entdeckt zu werden, um ihn zum Schweigen zu bringen. So jedenfalls sagte Dirk K. es bei der Polizei aus, doch wiederholte er es vor Gericht nicht, stritt die Tat immer wieder ab. Am 11. November 1986 aber wurde er nach zwei Prozesstagen wegen Mordes verurteilt und in die Psychiatrie eingewiesen.

Zurück bleiben ein zu Unrecht verurteilter Mann

Elf Jahre später meldete sich ein Anwalt bei den Ermittlern. Für den Mord an Nara Michael habe sein Mandant, der damals in der Therapie war, ein Geständnis abgelegt. Die Staatsanwaltschaft prüfte die Aussage, stufte sie jedoch als bedeutungslos ein. Sie passe nicht zu den objektiven Gegebenheiten, bestätigte noch vor zwei Jahren auf Nachfrage die Essener Staatsanwältin Birgit Jürgens, heute Leiterin der Kapitalabteilung.

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Danach ruhte das Verfahren wieder – bis der Hamburger Anwalt Achim Lüdeke, spezialisiert auf Unterbringungsrecht, Kontakt zu dem in der Psychiatrie untergebrachten Dirk K. bekam. Er hörte von dem zweiten Geständnis, ließ sich die Akte kommen und bekam erhebliche Zweifel an der Täterschaft von Dirk K. Zweifel, die das Dortmunder Landgericht gestern bestätigte. Dirk K. ist endgültig frei, auch das zweite Geständnis führte zu keiner Verurteilung.

Zurück bleiben ein zu Unrecht verurteilter Mann, der drei Jahrzehnte eingesperrt war, ein brutaler Mörder, der vielleicht immer noch frei herumläuft. Und eine Tat, die wohl für immer ungesühnt bleibt.