Essen. . Die Ankunft eines Babys kann bei Frauen schweren Kummer auslösen. Betroffene helfen sich gegenseitig in der Gruppe „Krise rund um die Geburt“.

Die Geburt – große Freude über neues Leben. Eigentlich. Doch auch das Gegenteil kann der Fall sein. Nämlich dann, wenn statt des Mutterglücks plötzlich Tränen, Selbstzweifel oder Schuldgefühle auftreten. Ausgelöst vielleicht durch besonders schwere Stunden im Kreißsaal. Weitaus mehr Frauen als gemeinhin angenommen stürzen nach der Geburt ihres Kindes in eine seelische Krise.

Allein in Deutschland seien jährlich etwa 100 000 Mütter betroffen, von dieser Zahl geht der Verein Schatten & Licht aus. Häufig versuchten die Betroffenen, ihren Zustand zu verbergen und trotz tiefer Verzweiflung die Rolle einer glücklichen und perfekten Mutter zu spielen. Ganz so, wie es die Gesellschaft erwarte. In Essen allerdings schließen sich jetzt einige Mütter zusammen, um in der Selbsthilfegruppe „Krise rund um die Geburt“ zu ihren Problemen zu stehen, gemeinsam stark zu werden und Wege aus einer vertrackten Lage zu finden.

Ein Kaiserschnitt als Auslöser des Kummers

Nicole B. und Sandra S. (Namen von der Redaktion geändert) haben die Gruppe gegründet. Über Umwege haben sie sich kennengelernt, als sie sich unabhängig voneinander in Köln psychologische Hilfe holen wollten, weil sie in ihrer Heimatstadt Essen kein passendes Angebot fanden. Bei Sandra S. war ein Kaiserschnitt der Auslöser für ihren Kummer, „ein ungewollter Kaiserschnitt“, wie die 26-Jährige sagt. Als sie ihr Baby im Arm hielt, waren es keine Freudentränen, die da ihre Wangen hinunterliefen. „Am Anfang hätte ich das Kind verschenken können.“ Den Ärzten habe sie damals gesagt: „Ich bin enttäuscht.“ Doch auf Verständnis oder Hilfe sei sie nicht gestoßen.

Ganz ähnliche Erinnerungen verbindet Nicole B. mit der Geburt ihres Babys. Bei der heute 48-Jährigen liegt das nun schon ein paar Jahre zurück, aber die Zeit hat diese Wunden nicht geheilt. Ein Notkaiserschnitt, eine hektische Hebamme, unsensible Ärzte, Druck, Überforderung und nirgendwo ein vertrauter Mensch in der Nähe, der Trost gespendet hätte: „Ich hatte Angst um mein eigenes Leben und um das Leben meines Kindes.“ Körperlich ist alles gut gegangen, aber seelische Narben hat die Mutter behalten. Bis heute würde sie am liebsten weglaufen, wenn sie ein OP-Hemd auch nur in der Ferne erahnt.

Nicht enden wollender Babyblues

Babyblues, Wochenbettdepressionen, kurze Stimmungskrisen nach Babys Ankunft – bekannte Erklärungen für Momente der Traurigkeit und Verzweiflung junger Mütter. Was darüber hinausgeht, sei gesellschaftlich nicht akzeptiert, sagen die Betroffenen. „Selbst meine eigene Mutter hat kein Verständnis und sagt nur: Sei froh, dass dein Kind gesund ist“, sagt Sandra S. Nach einem Fernsehbericht hat sie festgestellt, dass sie mit ihrem traumatischen Geburtserlebnis aber nicht die einzige ist. Und seit sie Nicole B. getroffen hat, weiß sie, dass es selbst in der eigenen Stadt Frauen gibt, denen ähnliche Erfahrungen zu schaffen machen.

Nun haben sich die beiden zusammengetan und möchten weiteren Müttern, aber auch Männern oder anderen Angehörigen eine Plattform zum Erfahrungsaustausch in dem großen Gefühlschaos bieten. Denn, auch das haben die beiden Essenerinnen erlebt, „Psychologen, Hebammen und Ärzte sind nicht immer eine Hilfe“.

Das nächste Treffen ist für den 5. Februar geplant

Die neue Selbsthilfegruppe hat sich unter dem Dach des Vereins Wiese gegründet. Treffen sind an jedem ersten Montag im Monat geplant, das nächste Mal am 5. Februar von 19 bis 21 Uhr in der Wiese, Raum 402, Pferdemarkt 5.

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, wer aber vorher Fragen loswerden möchte, kann diese per Mail an selbsthilfe@wiesenetz.de richten oder auch telefonisch unter 0201 / 20 76 76 weitere Auskünfte bekommen.