Essen. Seit seinen „zehn Geboten“ gegen die Kirchenschließung ist Pastor Brengelmann aus Schönebeck stadtbekannt. Die Gemeinde zeigte ihre Dankbarkeit.
Sie nennen ihn den „Don Camillo von Schönebeck“, und gleich der erste Satz in der Sonntagsmesse zeigt, dass der Vergleich mit dem listig-lustigen italienischen Kleinstadtpfarrer gar nicht so fern liegt: „Beim Eintreten habe ich gedacht, irgendwie ist es so, als würde ich heute verabschiedet“, scherzt Pastor Benno Brengelmann angesichts der rappelvollen Kirche St. Antonius Abbas.
Befreites Lachen der Gemeinde – man hat verstanden. Etliche der rund 400 Gottesdienstbesucher wären an diesem ersten sonnigen Sonntag seit Monaten wohl normalerweise ferngeblieben, entschieden sich aber, Brengelmann durch ihre Anwesenheit den Rücken zu stärken. Denn mit seinen „zehn Geboten“ gegen die geplante Schließung der Schönebecker Kirche hat der kantige und eigenwillige Priester Mut bewiesen und vielen Katholiken im Stadtteil aus dem Herzen gesprochen.
Rückendeckung kann der 64-Jährige weiß Gott gebrauchen. Öffentlich anderer Meinung zu sein als der Chef, hat auch und gerade in der katholischen Kirche seine Risiken. Just zur selben Zeit nämlich, als der beliebte Gemeindepastor in den Gottesdiensten zum Jahreswechsel seine Generalkritik an den Folgen des „Pfarreientwicklungsprozesses“ unter die Leute brachte, verlangte Bischof Franz-Josef Overbeck in seinem Neujahrswort das genaue Gegenteil: Mit „Kirchturmdenken“ käme man nicht weiter, überkommene Formen des Gemeindelebens seien ohne Zukunft, ein wahrer Christ binde sich im Übrigen nicht an „Ort und Gebäude“, sondern zuerst an Jesus Christus.
Neujahrspredigt des Bischofs wurde verlesen - auch das Wort vom „Kirchturmdenken“
Es hatte eine schöne Ironie, dass die Schönebecker Kirchgänger das ebenso programmatische wie umstrittene Neujahrswort des Bischofs am Sonntag im Wortlaut zu hören bekamen, denn die Order lautete, es in allen Hauptmessen am 14. Januar zu verlesen. Brengelmann, ein weißhaariger, äußerlich gemütlich wirkender Mann, ließ es sich nicht nehmen, bei der Ankündigung leichten Sarkasmus durchtropfen zu lassen: „Bischof muss auf Gemeinde hören, aber Gemeinde muss auch auf Bischof hören“, erklärte er verschmitzt.
Verbunden sei dies mit der herzlichen Bitte, sich eine Meinung über des Bischofs Wort zu bilden und diese dann nach dem Gottesdienst gerne zu diskutieren. Er selbst müsse – leider, leider – Kraft sammeln für eine Taufe am Nachmittag. „Ich muss ins Bett. Oder auf die Couch.“ Und nein, kein aktuelles Foto für die Zeitung. Brengelmann will dem Bischof und dem Generalvikar erkennbar nicht unnötig Munition liefern, indem er sein Quertreiber-Image durch Bilder und Debattenauftritte noch weiter befeuert. Klein beigegeben hat er aber eben nicht.
Scherze über zu sparende Heizkosten, dank der übervollen Kirche
So wird dieser ungewöhnliche Gottesdienst in seiner Mischung aus traditioneller Liturgie und gekonnt eingebauten Anspielungen zur aktuellen Lage wohl noch eine Weile bei den Gläubigen in Erinnerung bleiben. „Wenn die Kirche immer so voll wäre, hätten wir schon die erste Einsparung: Wir bräuchten keine Heizung mehr“, scherzt einer leise beim Rausgehen.
Und auch Pastor Benno Brengelmann hat ganz zum Schluss noch eine Botschaft an die diesmal so erfreulich große Gemeinde: „Falls es gelingt, diese Kirche zu erhalten, ist es eine Betriebslogik, dann auch wiederzukommen.“ Lang anhaltender, lauter Beifall belohnt diese Spitze, wobei dem wackeren Pastor das damit ausgesendete Signal schon kurz danach wohl etwas arg optimistisch erscheint. Denn fünf Minuten später schiebt er nach: „Zur Betriebslogik gehört allerdings auch, wenn es nicht gelingt, die nächste Kirche zu benutzen.“
Da fällt der Beifall kurz und eher pflichtschuldig aus. Man hofft eben auf ein Wunder in Antonius Abbas, wenigstens auf einen Kompromiss. Und völlig unrealistisch ist das nicht. Zeit gewinnen und ein Alternativkonzept ausarbeiten, um die Schließung doch noch zu verhindern: Das hat sich ein Arbeitskreis aus Gemeindemitgliedern vorgenommen, dessen inoffizieller Sprecher der Architekt Thomas Hengst ist.
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass das Schönebecker Gemeindeleben zu gut funktioniert, als dass man das Aus für die Kirche und das dann drohende Auseinanderbrechen der Gemeinde einfach hinnehmen sollte. „Wir sehen Möglichkeiten für einen Kompromiss, vorausgesetzt es wird nichts übers Knie gebrochen, wir brauchen etwas Zeit“, sagt Hengst. Am Ende sei es ein Rechenexempel.
Der bereits abgeschlossene Pfarreientwicklungsprozess sieht neue Überlegungen zwar nicht vor, doch mag das mit den Protesten und den „zehn Geboten“ des Pastors verbundene öffentliche Aufsehen vielleicht eine letzte Chance eröffnen. Vorgesehen ist, die Kirche im Jahr 2020 zu schließen. Die Schönebecker beklagen, dass sie von den Verantwortlichen der Großpfarrei St. Josef nicht transparent genug informiert wurden.