Essen. . Im Streit um Kirchenschließungen hat sich Bischof Franz-Josef Overbeck erneut sehr klar geäußert. Von „überkommenen“ Formen kirchlichen Lebens gelte es sich zu lösen.
In diesen Tagen müssen sie im Bischöflichen Generalvikariat am Burgplatz eintreffen, die verbindlichen Sparvorschläge der zehn Essener Großpfarreien, auf die sich die rund 200 000 Essener Katholiken verteilen. Welche Kirche darf bleiben, welche muss schließen – in den Gemeinden hat es bei den jahrelang diskutierten „Pfarreientwicklungsprozessen“ heftige Auseinandersetzungen gegeben, die noch längst nicht befriedet zu sein scheinen. Bischof Franz-Josef Overbeck hat jüngst demgegenüber noch einmal offensiv den Schrumpfungsprozess verteidigt: „Es gilt überkommenes Kirchturmsdenken zu überwinden, das nur die eigene kleine Welt der jeweiligen Gemeinde, des Verbandes der Organisation oder Einrichtung sieht“, erklärte Overbeck in seiner Predigt am Neujahrstag im Dom.
Bis zum Jahr 2020 sollen die Gemeinden im Bistum Essen ein Drittel ihres Etats einsparen, bis 2030 die Hälfte, gemessen am jetzigen Niveau. Möglich ist dies nur durch kräftige Einschnitte besonders bei den zu unterhaltenden Kirchengebäuden. In Schönebeck hat dies jetzt dazu geführt, dass der Pastor der Gemeinde St. Antonius Abbas in seinen Predigten zur Jahreswende in Form von „Zehn Geboten“ öffentlichen Protest gegen die Stilllegung und den möglichen Abriss der Kirche einlegte, da dies einer funktionierenden, aktiven und auch jungen Kirchengemeinde ihrer baulichen Heimat beraube. In seiner Gemeinde stieß Pastor Benno Brengelmann damit auf teils begeisterte Zustimmung, während Overbeck vielfach mit Kritik bedacht wird. Ähnliche Diskussionen, wenn auch nicht immer mit dieser Vehemenz, laufen auch in anderen Essener Pfarren.
„Dringend notwendige Perspektivenwechsel“ gefordert
In seiner Predigt mahnte Overbeck hingegen „dringend notwendige Perspektivenwechsel“ an. „Keiner darf sich zuerst an Ort und Gebäude binden, sondern zuerst immer an den Gott Jesu Christi.“ Das sei „eine wahrhaft katholische Haltung, die es möglich macht, loszulassen, was nicht festzuhalten ist, und die auch in scheinbar schwierigen Veränderungen den Geist Gottes am Werk sieht“. Kirche sei nicht Selbstzweck, sondern Sendung in die Welt.
Auch interessant
Priester, pastorale Mitarbeiter und Ehrenamtliche müssten die Änderungsprozesse nun gestalten, obwohl „die allermeisten mit ganz anderen Träumen ihren Beruf wählten oder ihr Engagement begründeten“, so Overbeck. „Und so nehme ich leider mit Erschrecken wahr, dass es in diesen Prozessen manchmal zu sehr schwierigen, und nachhaltigen menschlichen Verletzungen und Verwerfungen kommt“, so der Bischof tadelnd.
Hoffnungen für die Zukunft
Gerade in den inneren Kreisen der Kirche werde aber übersehen, „dass es viele Menschen gibt, die mit uns sympathisieren und neugierig auf das Christentum sind, ohne sich für unser überkommenes kirchliches Leben zu interessieren.“ Overbeck verbindet mit dieser neuen Innerlichkeit, die sich von festen Orten und traditionellen Formen löse, große Hoffnungen für die Zukunft: „Wir werden charismatischer werden, geistbewegter, eben außerhalb unserer alten Kirchtürme an ganz neuen Orten lebendig.“ Er sei froh, dass es Menschen gebe, die die Kirche in Bewegung hielten, Lust auf Neues hätten und „quer“ dächten. „Von ihnen allen können wir viel lernen.“