Essen. . Der Werdener Stadtplaner Michael Happe ist überzeugt, dass es genügend Platz für neue Wohnungen gibt. Die Zahl 17 000 sei übertrieben.

  • Stadtplaner Michael Happe vom Büro BKR kritisiert Studie zum Wohnungsbau: Bedarf sei überzogen
  • Autoren ließen bestehende Wohnbaupotenziale außer acht. Bebauung von Freiflächen sei überflüssig
  • Kritik: Es wird bereits am Bedarf vorbei gebaut. Angebote vor allem für Mittelstand und Zuzügler

Der Stadtplaner Michael Happe aus Werden übt scharfe Kritik am vermeintlichen Bedarf an neuen Flächen für den Wohnungsbau. Die von der Stadt Essen dazu jüngst vorgelegte Studie des Instituts für Wohnungswesen (Inwis) gehe nicht nur von falschen Annahmen aus. Es entstehe der Eindruck, dass der vermeintliche Bedarf künstlich aufgebläht werde. Das Potenzial an bereits vorhandenen Flächen, auf denen Wohnungen entstehen könnten, werde hingegen systematisch klein gerechnet, bemängelt der Geschäftsführer des Büros für Kommunal- und Regionalplanung (BKR).

Michael Happe
Michael Happe © RG

Wie berichtet, beziffert Inwis den Bedarf auf 16 529 Wohnungen; diese müssten bis zum Jahr 2030 gebaut werden, um die wachsende Nachfrage nach Wohnraum zu befriedigen. Für bis zu 8800 Wohnungen davon gebe es keine geeigneten Grundstücke. Die Schlussfolgerung daraus lautet: Die Stadt müsse Freiflächen für den Wohnungsbau erschließen. Happe hält das schlichtweg für überflüssig.

Den von Inwis ermittelten Zahlen liegt die Annahme zugrunde, dass Essens Bevölkerungszahl weiter wächst – auf 598 000 Einwohner im Jahr 2030. Diese Prognose basiere auf der Entwicklung von 2011 bis 2014, kritisiert Happe. Also überwiegend auf dem Zuzug von EU-Bürgern aus Osteuropa und von Flüchtlingen. Die Flüchtlingskrise setzte erst danach ein. Es sei aber unrealistisch davon auszugehen, dass unvermindert viele Menschen zuziehen. Seit März diesen Jahres sei die Einwohnerzahl bereits wieder rückläufig, betont Happe.

„Die Einwohnerzahl ist bereits wieder rückläufig“

Dass in Essen, wie von Inwis errechnet 3350 Wohnungen für Flüchtlinge benötigt werden, hält Happe auch vor dem Hintergrund des zu erwartenden Familienzuzuges für nachvollziehbar. Auch der Bedarf an weiteren 1559 Wohnungen für die wachsende Zahl an Haushalten sei realistisch.

Völlig überzogen nennt der Stadtplaner aber die Zahl von 12 780 Wohnungen, die laut Inwis als Ersatz her müssten für ältere Wohnungen, die abgerissen werden, die mit anderen zusammengelegt werden oder anderswie genutzt werden, zum Beispiel als Büros. „Diese Zahl steht auf tönernen Füßen“, ist Happe überzeugt.

Inwis lasse außer acht, dass aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel mehr Neubauten entstehen, wenn ein Altbau abgerissen wird. Die Grundstücke werden entsprechend verdichtet, es entstehen mehr Wohnungen auf der gleichen Fläche. Wohnungsbauprojekte wie das des Allbau am Niederfeldsee in Altendorf, wo 180 alte Wohnungen abgerissen und dafür 62 neue gebaut wurden, seien die Ausnahme.

Und: Die Studie berücksichtige nicht, dass beispielsweise Gewerbeflächen in Wohnbauflächen umgewidmet werden. Happe erinnert an eine Veröffentlichung der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG), wonach zwischen 2002 und 2012 bereits 27,4 Hektar an Gewerbeflächen verloren gegangenen seien, weil der Grund und Boden für den Wohnungsbau genutzt wurde. „Dass Wohnbauflächen umgewidmet werden, ist keine Einbahnstraße“, so Happe. Unbeachtet bleibe ferner, dass Kirchen und Schulen aufgegeben und die Grundstücke bebaut werden.

„Es wird am Bedarf vorbei gebaut“

Happe sieht weitere Potenziale in einer konsequenten Ausschöpfung von Baulücken, in der Verdichtung bestehender Wohnbauflächen und in der Bebauung von Brachen. Dass Flächen für bis zu 8800 Wohnungen fehlten, sei nicht nachzuvollziehen. Diese Lücke ließe sich schließen, ohne dass auf der grünen Wiese gebaut werden müsse. Andernfalls, so fürchtet der Stadtplaner, „wird weiter am Bedarf vorbei gebaut“.

Happe spielt auf Neubauprojekte wie jenes an der Grünen Harfe in Heidhausen an, aber auch auf Vorhaben in Rüttenscheid etwa auf dem Gelände der ehemaligen PH. Zielgruppe sei der gehobene Mittelstand und Zuzügler. Benötigt würden aber Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen, für Senioren und sozial Bedürftige.