Essen. . Der Essener Hauptbahnhof steht bei den Diebstahls-Delikten NRW-weit an der Spitze, die Bundespolizei warnt: Die Szene wird immer schwieriger.

  • Die Bundespolizei meldet einen Anstieg der Fallzahlenam Hauptbahnhof um 28 Prozent
  • Bei den Taschendiebstählen kommen 90 Prozent der Täter aus den Maghreb-Staaten
  • Die Beamten müssen immer häufiger mit dem Widerstand der Täter rechnen.

Das Weihnachtsgeschäft hat gerade erst begonnen, doch für die Diebe, die es auf Geldbörse, Smartphones, Kreditkarten & Co. ahnungsloser Mitmenschen abgesehen haben, herrscht bereits Konjunktur: Das wird vor allem am Hauptbahnhof Essen deutlich, dem „Einkaufscenter mit Gleisanschluss“, wie es bei der Bundespolizei manchmal spöttisch heißt, einem der bevorzugten Arbeitsfelder von Taschen- und Ladendieben.

Deren Aktivitäten haben inzwischen wieder ein Ausmaß erreicht, das die Essener Station an der Negativspitze aller Hauptbahnhöfe in NRW gespült hat. Nach einer kurzen Phase der Entspannung und des Rückgangs der Fallzahlen muss die Bundespolizei vermelden: „Wir haben hier wieder eine Steigerungsrate von 28 Prozent.“

Wandel bei den Tätergruppen

Dies führen die Beamten vor allem auf einen Wandel bei den Tätergruppen zurück: Waren es vormals reisende Banden vom Balkan, die bei den Taschendiebstählen für hohe Einsatzzahlen sorgten, sind die völlig vom „Markt“ verdrängt worden. „Über 90 Prozent der Täter stammen inzwischen aus den Maghreb-Staaten“, sagt Polizeihauptkommissar Volker Stall, Sprecher der für Essen zuständigen Bundespolizei-Inspektion Dortmund.

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Viele seien als Flüchtlinge aus Marokko, Algerien oder Tunesien in Deutschland gemeldet, „wir haben hier Intensivtäter, die beispielsweise in einer Flüchtlingsunterkunft in Eisenhüttenstadt ihren Wohnsitz haben, aber deren Straftaten sich durch ganz Deutschland ziehen.“ Diese Täter möglicherweise über ein Schnellverfahren wenigstens mal für eine kurze Zeit aus dem Verkehr zu ziehen, sei nur schwer möglich: „Ein Diebstahl gilt meist als Bagatelldelikt.“ Die Folge: Bei den Tätern setzt sich ein verqueres Rechtsverständnis fest, weil Straftaten kaum oder erst spät sanktioniert werden.

Ladendiebstahl ganz anderes Klientel

Etwas anders sieht es bei den Ladendiebstählen aus, hier sind nach wie vor vor allem Frauen und Männer aus der Drogen- oder Trinkerszene aktiv, die es auf teure Rasierklingen oder Parfüms oder einfach nur auf Alkohol abgesehen haben.

Was Stall und seinen Kollegen bei der Täter-Gruppe aus den Maghreb-Staaten aber zunehmend erhebliche Probleme bereitet: „Die Gewaltbereitschaft ist eine ganz andere geworden.“ Widerstandshandlungen bei Festnahmen seien die Regel, „das ist wirklich Standard.“

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Auch die Opfer bekämen das harte Vorgehen der Täter zunehmend zu spüren: „Wer den Dieb bemerkt und reagiert, wird angegriffen.“ Tragetaschen-Riemen würden mit dem Feuerzeug durchgebrannt, Hosentaschen mit Rasierklingen aufgeschlitzt, vor allem angetrunkene oder schlafende Reisende seien einem erhöhten Risiko ausgesetzt.

Widerstandshandlungen um 160 Prozent gestiegen

Da verwundert es kaum, dass die Widerstandshandlungen insgesamt gegenüber den Beamten in den ersten neun Monaten des Jahres um 160 Prozent explodiert sind. „Wobei das Phänomen sehr viele Gruppen betrifft, die den Hauptbahnhof nutzen – Fußball-Hooligans, Junkies, Trinker, Diskotheken-Heimkehrer, die sich am Hauptbahnhof noch einmal mit Alkohol eindeckten: „Ohne robustes Auftreten würde das manche Nacht hier schnell eskalieren.“ Und dennoch muss die Bundespolizei bei den Körperverletzungsdelikten ein Plus von 56 Prozent notieren

Natürlich sei der Anstieg auf allen Deliktfeldern auch eine Folge der neuen Wache im Hauptbahnhof, die seit einem Jahr einen deutlich schnelleren Zugriff erlaubt und es den Opfern leichter macht, Straftaten zu melden. Auch die 90 Kameras im Hauptbahnhof erleichtern Kontrolle und Fahndung – wenn das Personal zur Verfügung steht. Doch mehr als zwei Streifen pro Schicht kann die Bundespolizei selten stellen: „Mehr geht nicht.“