Essen. . Ab 2018 ist gemeinsamer Religions-Unterricht für katholische und evangelische Kinder möglich. Dabei wird es im Essener Alltag längst praktiziert.
- Landeskirchen haben sich mit NRW-Schulministerium auf gemeinsame Linie geeinigt
- Grund: Weniger getaufte Kinder, mehr islamische Kinder und Schüler ganz ohne Konfession
- Besonders an Berufskollegs werden sogar Christen und Muslime gemeinsam unterrichtet
An vielen Essener Schulen ist längst Alltag, was die Landeskirchen mit dem Wohlwollen des NRW-Schulministeriums jetzt beschlossen haben: Evangelische und katholische Schüler können in Grundschulen und der Sekundarstufe I ab dem Schuljahr 2018/19 gemeinsam unterrichtet werden.
„Wir machen das seit mindestens 15 Jahren“, sagt Angelika Sass-Leich, Leiterin der Peter-Ustinov-Grundschule in Katernberg. „Ein Jahr lang unterrichtet eine evangelische Religionslehrerin, ein anderes Jahr eine katholische Kollegin – immer im Wechsel.“ Diese Initiative, schon damals von allen Behörden abgesegnet, sei „aus der Not heraus geboren“ worden – denn die Zahl der muslimischen Kinder oder der Kinder ohne christliche Konfession wurde immer größer.
Zahl der getauften Kinder in Essen nimmt ab
Dieser Trend setzt sich stadtweit fort: Im Jahr 2011 gab es nach Angaben des städtischen Amtes für Statistik 16 419 evangelische und 23 094 katholische Schüler in Essen. Fünf Jahre später waren es nur noch 13 071 evangelische (minus 3348) und 19 517 katholische Schüler (minus 3577). Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl muslimischer Schüler von 10 946 auf 13 513.
Der Leiter einer großen Gesamtschule, die von vielen Schülern mit ausländischen Wurzeln besucht wird, sagt: „Anders, als die beiden Konfessionen gemeinsam zu unterrichten, können Sie den Schul-Alltag seit Jahren gar nicht mehr organisieren.“ Denn neben dem christlichen Religionsunterricht gebe es schließlich auch noch „Praktische Philosophie“ für die Schüler ohne Konfession und die Islamkunde – ein Unterricht, für den flächendeckend chronisch Lehrer fehlen. Nach einer Statistik der Bezirksregierung erhalten derzeit knapp 1500 Kinder und Jugendliche in Essen islamischen Religionsunterricht: „Eine Maßnahme“, sagt der Gesamtschulleiter, „die ich außerordentlich wichtig finde, damit die jungen Leute nicht irgendwelchen Rattenfängern auf den Leim gehen.“ Seiner Beobachtung nach wüssten viele muslimische Kinder nur „sehr wenig“ über ihre Religion.
„Es geht um Fragen der Wahrheit“
Positive Erfahrungen machen auch die Essener Berufskollegs, in denen häufig Pfarrer und nicht Lehrer den Religionsunterricht erteilen – und zwar nicht nur für die christlichen Kinder, sondern für Schüler aller Religionen gemeinsam. „Der Unterricht handelt weniger von der reinen Lehre, sondern mehr von konkreten Beispielen – wie löse ich zum Beispiel Konflikte im Beruf? Das interessiert jeden, der Unterricht ist für die jungen Leute sehr attraktiv“, sagt der Leiter eines Berufskollegs. „Es geht um Fragen der Wahrheit und der Haltung. Da diskutieren auch Nicht-Gläubige mit.“ Offiziell erlaubt ist diese Form des gemeinsamen Religionsunterrichts nicht: Allein, was die christlichen Konfessionen angeht, soll die neue Einigung der Landeskirchen für Berufskollegs erst 2020/21 gelten. „Wir bewegen uns“, heißt es aus den Schulen, „in einer Grauzone.“
>> ZAHL DER RELI-LEHRER NIMMT AB
Nicht nur die Zahl der getauften Schüler geht zurück. In erwartbarem Maß sinkt auch die Zahl der Lehrer, die in evangelischer oder katholischer Theologie ausgebildet wurden.
So verließen die Uni Duisburg-Essen im Jahr 2012 noch 61 Absolventen in evangelischer Theologie (Lehramt; katholisch: 84). Im Jahr 2016 waren es nur noch 53 (ev.) bzw. 68 (katholisch).