Essen. . Ein Besuch an der Hauptschule Wächtlerstraße in Essen: „Die Attentate sind eine Schande für den Islam“, sagen die Schüler dort im Islam-Unterricht.

Nach den Attentaten von Paris entstehen Fragezeichen dort, wo eigentlich keine sind. Aus Fragezeichen wird Irritation, aus Irritation Misstrauen. Es geht ganz schnell. Am Dienstagmorgen sitzt ein muslimischer Schüler in Raum 17 der Hauptschule an der Wächtlerstraße. Er trägt einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift „I love Paris“.

Was will uns der Schüler heute damit sagen? Ist dieser Pulli Ausdruck des gemeinsamen Trauerns um die Opfer? Oder will er sie verhöhnen, unverhohlen Sympathie demonstrieren mit den Tätern?

Seit 2012 islamischer Religionsunterricht

Wir sind im „Islamischen Religionsunterricht“. Seit 2012 wird er an Schulen in NRW erteilt, für Schüler muslimischen Glaubens, die Teilnahme erfolgt freiwillig. Wer ihn nicht will, erhält das Fach „Ethtik“.

Lehrer ist Abdelali Boumnadel (40), studierter Jurist aus Marokko, seit zwölf Jahren in Deutschland, in Bochum hat er einen Master im Fach Islamwissenschaft absolviert und in Essen noch ein Lehramts-Studium draufgelegt. „Natürlich“, sagt Boumnadel, „sprechen wir seit Paris über kein anderes Thema.“ Er reist von Schule zu Schule und erteilt Islamischen Unterricht, die Zahl der passenden Lehrer ist klein, das Interesse seitens der Schüler „riesig“, sagt Boumnadel. „Sie wollen viel über die Religion wissen, doch mit den Imamen in den Moscheen gibt es oft Verständigungsprobleme.“ Die Imame sprächen kaum Deutsch, die Schüler beherrschten kaum die Muttersprache ihrer Eltern. Folge: „Die Jugendlichen suchen im Internet.“ Nicht gerade die beste Quelle für verlässliche Infos rund um den Islam, oder wie man den Koran auslegen sollte. „Die Würde, das Leben und das Vermögen von Nichtmuslimen werden durch die Texte des Korans ausdrücklich geschützt“, sagt Boumnadel. Und die Neuntklässler der Wächtler-Schule, die an diesem Tag unterrichtet werden, pflichten ihm bei: „Der Islam lehnt ab, was in Paris geschehen ist“, sagt ein Junge in der ersten Reihe. Ein Mitschüler sagt: „Eine Schande für den Islam ist das.“

Schüler artikulieren Bedenken

Ein Schüler erzählt: Im Sommer war er im Irak, bei seiner Familie, er sah Flüchtlinge in Lumpen, die vor den IS-Kämpfern flüchteten. „Ein schrecklicher Anblick.“ Die Schüler artikulieren ihre Bedenken, dass sie es jetzt draußen auf der Straße noch schwerer haben werden als zuvor, dass sich sowieso ein Generalverdacht breit mache.

Der Junge im „I love Paris“-Pulli erzählt von Begegnungen in der S-Bahn, die sich lange vor den Taten von Paris ereigneten, Begegnungen mit Deutschen, die geprägt waren von Ausländerfeindlichkeit und Islam-Phobie.

Nach Attentaten von Paris entstehen Fragezeichen

Ob er jetzt und hier mit seinem Kleidungsstück etwas sagen wolle? Der Junge schaut irritiert, blickt auf seinen Pulli, die Aufschrift, dann versteht er. „Oh, natürlich nicht“, sagt er und lächelt. „Das ist jetzt Zufall.“ Er bleibt höflich, obwohl er sich rechtfertigen muss, wieder mal, und die zumindest theoretische Unterstellung, die in dieser Frage steckt, längst begriffen hat.

Nach den Attentaten von Paris entstehen Fragezeichen dort, wo eigentlich keine sind. Es geht ganz schnell.