Essen. . In Essen ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf einen neuen Zehn-Jahres-Rekord gestiegen. Vor allem Teilzeit boomt.
- Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt auf neuen Zehn-Jahres-Rekord
- Gute Konjunktur und Fachkräftemangel schlagen sich in mehr Beschäftigung nieder
- Gewerkschaft kritisiert starken Anstieg der prekären Beschäftigungsverhältnisse
Der Job-Boom in Essen hält an. Rund 242 500 Menschen hatten im Dezember 2016 eine sozialversicherungspflichtige Arbeit in der Stadt. Das sind so viele Beschäftigte in einem Dezember wie in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr. Es sind die aktuellsten Zahlen, die die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Statistik ausweist.
„Die Wirtschaft brummt, die Konjunktur zieht kontinuierlich an – und das mittlerweile über einen längeren Zeitraum. Allein diese Tatsache schafft schon Arbeitsplätze“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes (EUV), Ulrich Kanders mit Blick auf die Zahlen.
Gute Konjunktur lässt Beschäftigung steigen
Auch die Essener Wirtschaftsförderung verweist auf die gute wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt: „Von 2005 bis 2015 hat die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zugenommen“, so die Sprecherin der Wirtschaftsförderung, Claudia Peters. Das Bruttoinlandsprodukt sei in diesem Zeitraum um 29,1 Prozent gestiegen.
Während große Konzerne in den vergangenen Jahren eher Krisenzeiten durchlebten und Personal abbauten, seien es die kleinen und mittleren Betriebe gewesen, die Arbeitskräfte einstellten, heißt es bei der Arbeitsagentur. Dies deckt sich auch mit den Umfrageergebnissen der Essener Industrie- und Handelskammer, die die gute Stimmung im Mittelstand schon seit einiger Zeit misst. Auch der beginnende Fachkräftemangel in einigen Branchen macht sich nun offenkundig bemerkbar. EUV-Chef Kanders dazu: „Die Unternehmen möchten gut qualifizierte Arbeitskräfte halten und entlassen daher nur wenige Beschäftigte.“
Gewerkschaft übt Kritik an den vielen prekären Jobs
Allerdings gilt es auch, Wasser in den Wein zu schütten. Denn zum einen blieb das Jobwachstum in Essen mit zuletzt 1,8 Prozent erneut hinter dem Landes- und auch Bundesdurchschnitt von 2,1 bzw. 2,3 Prozent zurück. Andere Regionen brummen also mehr. Hier scheint sich die Krise der Essener Konzerne dann doch niederzuschlagen.
Zum anderen sind in den vergangenen zehn Jahren auch in Essen besonders viele Teilzeit-Jobs entstanden. Ihre Zahl stieg von rund 40 000 auf zuletzt fast 65 000. Jede vierte Stelle ist mittlerweile also ein Teilzeit-Job. Diese Entwicklung hat viele Gründe. In Teilzeit arbeiten beispielsweise Mütter, die nach der Geburt des Kindes heutzutage schneller wieder arbeiten als früher. Hinzu kommt: Essen hat sich zu einer Dienstleistungsmetropole gewandelt. Und im Dienstleistungsgewerbe ist Teilzeitbeschäftigung üblicher als in der Industrie oder im Handwerk.
Arbeitgeber nutzen Teilzeit aber auch zunehmend, um ihre Mitarbeiter flexibler einsetzen zu können. Das stößt gerade den Gewerkschaften bitter auf, die die Zunahme solch prekärer Beschäftigungsverhältnisse beklagen.
Wirtschaftsförderung rechnet mit weiterem Anstieg
„Ich kenne viele Beschäftigte, die gerne länger arbeiten und mehr verdienen wollen, die aber keine Chance dazu haben“, sagt Gewerkschaftssekretär Kay Lipka, der bei Verdi in Essen für den Bereich Handel zuständig ist. Es sei keine Seltenheit, dass Verkäuferinnen einen 20-Stunden-Arbeitsvertrag haben und mit zusätzlichen Überstunden eigentlich auf einen Vollzeitjob kommen. Im Falle von Krankheit trage der Arbeitgeber aber nur die Kosten für den Halbtagsjobs. „Arbeitgeber minimieren so ihr Risiko zu Lasten des Arbeitnehmers“, sagt Lipka. Wie im Handel sind Teilzeit und Minijobs auch in anderen weiblichen Domänen wie der Pflege an der Tagesordnung.
Unabhängig davon erwartet die Wirtschaftsförderung, dass das Job-Wachstum anhält. Allein „die anstehenden Zuzüge neuer Unternehmen nach Essen werden dazu beitragen, dass die Zahl der Beschäftigten weiter steigt“, heißt es. Unter anderen wird Brenntag 2017 den Sitz nach Essen verlegen und der Bremsbelaghersteller TMD Friction seine Produktion von Leverkusen nach Essen verlagern. Auch Facebook schafft in der Stadt neue Arbeitsplätze