Essen. Die Überlastung des Essener Ausländeramtes hat für die Betroffenen mitunter fatale Folgen. Der Dezernent räumt eine höhere Fehlerwahrscheinlichkeit ein.

  • Bei der Essener Ausländerbehörde stapeln sich Postberge, E-Mails bleiben oft lange unbeantwortet
  • Bisweilen werden Asylbewerber nicht rechtzeitig umgemeldet, so kennt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihre Adresse nicht
  • Bei einigen Betroffenen kamen die Ladungen des Bundesamtes nicht an – ihr Asylantrag wurde abgelehnt

. Der Stress für die Mitarbeiter ist groß, der Ton bisweilen rau, die Wartezeiten monatelang – soweit der Alltag im Ausländeramt an der Schederhofstraße, mit dem auch Ehrenamtliche vertraut sind. Wie fatal mögliche Versäumnisse der Behörde für Betroffene sein können, hat der pensionierte Pfarrer Martin Arnold jetzt erlebt.

Arnold engagiert sich im Flüchtlingsheim Klinkestraße in Bergerhausen. Dort kam im Februar 2017 ein Mann aus Guinea auf ihn zu, der seit zehn Monaten nichts vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gehört hatte. Als Martin Arnold nun beim Bamf telefonisch nachhakte, bekam er eine verblüffende Antwort: „Der Mann hat doch morgen seine Anhörung bei uns!“ Die Ladung war noch an die Adresse des ersten Asylheims gegangen, aus dem ihn die Stadt längst verlegt hatte.

Wichtige Post kam bei den Flüchtlingen nicht an

Arnold handelte schnell, ging sofort mit seinem Schützling zur Beratung bei Pro Asyl, stellte am Abend mit ihm Unterlagen zusammen, die seine Verfolgung in Guinea belegen. Bei der fünfstündigen Anhörung am folgenden Tag konnten der 29-Jährige diese daher schlüssig nachweisen. Am 19. Juni bekam er seine Anerkennung.

Bei aller Erleichterung fragt sich Arnold, wieso das Ausländeramt den Mann nicht umgemeldet und die Adresse dem Bamf mitgeteilt hatte. Zumal es sich nicht um einen Einzelfall handelte: An der Klinkestraße sprach sich die Geschichte herum, so dass Arnold nun zehn Afrikaner betreut. „Bei neun von ihnen hat das Bamf eine alte Adresse.“ In zwei Fällen war der Termin der Anhörung schon verstrichen: Das Bamf wies den Asylantrag ab.

Betroffene verpassten den Termin ihrer Anhörung

„Wenn die Asylbewerber nicht zur Anhörung erscheinen, geht man davon aus, dass sie kein Interesse haben, der Asylantrag gilt damit als zurückgenommen“, bestätigt Wolfgang Thewes, Vorsitzender Richter und Sprecher am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Hier landen solche Fälle, wenn der Betroffene binnen zwei Wochen gegen den Bamf-Bescheid klagt. Das Gericht kann dann dafür sorgen, dass das Bamf das Verfahren wieder aufnimmt. Es sei kein Massenphänomen, aber ein Problem, „das uns immer wieder begegnet“.

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Das Bamf informiere aber alle Asylbewerber, dass es immer ihre aktuelle Adresse kennen müsse, betont Thewes. Eine Pflicht, auf die auch das Ausländeramt hinweist. Es erklärt aber auch: „Beim Wohnungswechsel von einer städtischen Einrichtung in eine andere erhalten wir die Mitteilung des Umzugs per E-Mail vom Sozialamt und bemühen uns zeitnah um eine Ummeldung (dafür wurden extra Sachbearbeiter abgestellt). Diese Ummeldung geht ans Ausländerzentralregister, und das Bamf kann dort die neue Adresse erfahren.“

Amt räumt ein: Wir haben zahlreiche ungelesene Mails

Auf diesen Weg hatten auch Martin Arnolds Schützlinge vertraut, so habe man es ihnen im Heim erklärt. Doch die Realität in der Ausländerbehörde sieht derzeit anders aus: „Es gibt Postberge und eine Vielzahl ungelesener Mails, die nicht zeitnah abgebaut werden können“, bestätigt das Amt selbst. So können sich Ummeldungen verzögern, obwohl diese ja auch im Interesse der Behörden wären, etwa falls ein Asylbewerber einmal gesucht werden sollte.

Er könne nicht ausschließen, dass Briefe des Bamf zu spät bei Betroffenen eingegangen sind, sagt der Ordnungsdezernent Christian Kromberg. „Angesichts der angespannten Situation im Ausländeramt ist die Fehlerwahrscheinlichkeit gestiegen – was auch zu mehr Gerichtsverfahren führen kann.“ Immerhin biete der Klageweg eine Korrekturmöglichkeit. „Nur wenn die Leute in der Zwei-Wochen-Frist klagen“, sagt Martin Arnold. Sonst erhält ihr abgelehnter Asylbescheid Bestandskraft; der weitere Rechtsweg wird dann steinig, bestätigt Verwaltungsrichter Thewes.

Dezernent: Bewerber rennen uns nicht die Tür ein

Untätigkeit mag sich Dezernent Kromberg nicht vorwerfen lassen: Im Ausländeramt gebe es heute 90 Stellen, davon 13 überplanmäßige. Im August habe die Stadt 150 Auszubildende eingestellt, mehr als seit Jahren. Gleichzeitig verliere man Personal, weil Fachkräfte auch andernorts begehrt seien. Und Neueinsteiger brauchten eine bis zu zweijährige Einarbeitungszeit in die komplexe Materie. „In diesem schwierigen Fahrwasser rennen mir auch interne Bewerber nicht gerade die Tür ein.“ Umso höher sei seine Hochachtung für die Mitarbeiter im Ausländeramt. Ihnen wie Flüchtlingen und Ehrenamtlichen kann Kromberg keine Hoffnung auf eine rasche Lösung machen: „Anderthalb Jahre brauchen wir, bis es dort eine befriedigende Arbeitssituation gibt.“