Essen. In Essen leben gut 2400 Ausreisepflichtige. Der Sozialdezernent begrüßt den Plan, chancenlose Flüchtlinge gar nicht erst auf Städte zu verteilen.
- Die Zahl der Abschiebungen ist in Essen im ersten Halbjahr 2017 leicht zurückgegangen
- In der Stadt leben rund 2400 ausreisepflichtige Personen, für die monatlich Unterhaltskosten von 2 Millionen Euro anfallen
- Ein Teil der Betroffenen ist schon seit Jahren hier geduldet und hofft auf eine dauerhafte Bleibeperspektive
Die Zahl der Abschiebungen ist in Essen im ersten Halbjahr 2017 leicht zurückgegangen. Hier spiegelt sich ein bundesweiter Trend wider, der zum Teil mit der insgesamt gesunkenen Zahl der Asylbewerber zu tun hat. Freilich muss die Stadt weiterhin für gut 2400 Personen, die eigentlich ausreisepflichtig sind, aufkommen. Monat für Monat fallen so Kosten von rund zwei Millionen Euro an.
Nachdem im Oktober 2015 das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz in Kraft trat, stieg die Zahl der Abschiebungen im Folgejahr deutlich an: 212 Menschen wurden 2016 aus Essen abgeschoben, 2015 und 2014 waren es nur 76 bzw. 59 Personen. Zudem wurden im vergangenen Jahr 318 freiwillige Ausreisen erfasst. Im ersten Halbjahr 2017 gab es nach Angaben der Stadt dagegen lediglich 82 Abschiebungen; es zeichnet sich also ab, dass der Wert vom Vorjahr nicht noch einmal erreicht wird.
Flüchtlinge sollen in Unterkünften des Landes bleiben
Wie es aussieht, bewegt sich die Zahl der freiwilligen Ausreisen offensichtlich auf dem Vorjahresniveau: 81 Betroffene kamen so im ersten Quartal 2017 einer drohenden Abschiebung zuvor. Ob freiwillig oder erzwungen, bei beiden Gruppen handelt es sich vor allem um Menschen vom Westbalkan: Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und seit 2015 auch Albanien oder der Kosovo gelten als sichere Herkunftsländer. Wer aus einem dieser Staaten stammt, hat praktisch keine Chance, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen, sein Asylantrag gilt in der Regel als „offensichtlich unbegründet“.
Essens Sozialdezernent Peter Renzel hatte schon im Jahr 2013 gefordert, chancenlose Asylbewerber „erst gar nicht auf die Kommunen zu verteilen“. Inzwischen weiß er die Landesregierung auf seiner Seite. So sagte der neue Integrationsminister Joachim Stamp (FDP), wer „nur eine geringe Bleibeperspektive hat, soll in den Landeseinrichtungen bleiben“. Ein Vorstoß, den Renzel begrüßt, schließlich könnten die Betroffenen so nach Abschluss des Asylverfahrens „zentral und zügig zurückgeführt“ werden. „Das wird die Kommunen personell und finanziell entlasten.“
Stadt trägt die Unterhaltskosten für Ausreisepflichtige
Denn wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde, überweist das Land noch drei Monate lang Mittel für den Betroffenen. Reist dieser danach nicht aus, trägt die Stadt die weiteren Unterhaltskosten allein. Regelmäßig muss Essen für gut 2400 dieser Fälle aufkommen. „Die Durchschnittskosten der Stadt Essen liegen bei 860 Euro pro Person und Monat, daher belaufen sich die verursachten Kosten auf rund zwei Millionen Euro im Monat“, rechnet Stadtsprecherin Silke Lenz vor.
Auch viele dieser Alt-Fälle wäre Sozialdezernent Renzel gern los: „Am sinnvollsten wäre es, wenn auch diejenigen, die schon seit ein oder zwei Jahren in unseren Unterkünften leben, obwohl sie keine Bleibeperspektive haben oder bereits abgelehnt sind, in Landeseinrichtungen überwiesen würden.“ Viele Armutsflüchtlinge vom Balkan wohnen jahrelang in städtischen Heimen, andere reisten wiederholt nach Deutschland ein und wurden stets Essen zugewiesen, weil sie hier den Erstantrag gestellt haben.
Eine jahrelange Duldung wird oft als zermürbend erlebt
Freilich muss längst nicht jeder Ausreisepflichtige das Land tatsächlich verlassen: Viele Betroffene haben eine sogenannte Duldung, etwa weil sie schwer krank sind, keine Papiere haben oder ihr Heimatland eine Aufnahme ablehnt. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gibt es aktuell bundesweit 229 153 Ausreisepflichtige, von denen 161 593 geduldet sind. Als „vollziehbar ausreisepflichtig“ gelten demnach nur 67 560, also knapp 30 Prozent.
Stadtsprecherin Silke Lenz bestätigt, dass es sich bei den 2400 Ausreisepflichtigen in Essen „zum Teil um langjährig Geduldete“ handele. Sie müssen zwar nicht mit einer Abschiebung rechnen, aber ihre Duldung regelmäßig beim Ausländeramt verlängern lassen. Auch diese als zermürbend empfundene Praxis will NRW-Integrationsminister Stamp ändern: Man müsse prüfen, „wie wir künftig Kettenduldungen beenden und in einen sicheren Aufenthaltstatus überführen können“.
Abschiebung aus Essen im ersten Halbjahr 2017
Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | Gesamt | |
EU | 2 | 1 | 1 | 1 | - | - | 5 |
Maghreb | 2 | - | 2 | - | - | 2 | 6 |
Westbalkan | 3 | 11 | 6 | 22 | 4 | 1 | 47 |
Sonstige Staaten | 2 | 3 | 1 | 3 | 4 | 11 | 24 |
Gesamt | 9 | 15 | 10 | 26 | 8 | 14 | 82 |