Essen. . Preistreiber in der Kriminalstatistik kommen nicht hinter Gitter, wenn ihre Delikte nicht ausreichend dokumentiert sind. Das soll sich ändern.

  • Staatsanwaltschaft und Polizei gehen mit neuem Konzept gegen Intensivtäter vor
  • Jeder von ihnen bekommt „seinen“ Beamten, der ein Auge auf ihn hat
  • So soll die kriminelle Vita möglichst lückenlos dokumentiert werden

Sie sind die Dauerkunden der Polizei, sorgen für ansehnliche Fallzahlen und manche Schieflage im Sicherheitsgefühl der Bürger: Eine ganze Reihe so genannter Intensivtäter legen Straftat nach Straftat hin, ohne jedoch hinter Schloss und Riegel zu verschwinden. Und das zu oft nur, weil nicht alle ihre Delikte lückenlos dokumentiert sind. Dann winkt die Justiz ab.

Der eine Diebstahl, der eine Raub, die eine Körperverletzung, die man ihnen im Einzelfall zuschreibt, erscheint in der Regel keinem Staatsanwalt ausreichend, um so jemanden wegschließen zu lassen. Jedenfalls dann nicht, wenn die Justiz die wahre kriminelle Vita des Beschuldigten nicht kennen kann, weil die Liste all seiner Straftaten unvollständig ist.

Webfehler in der Strafverfolgung

Diesem erkennbaren Webfehler in der Strafverfolgung wollen die Staatsanwaltschaft und die Polizei in Essen mit einem neuen Konzept begegnen, um die Preistreiber in der Kriminalstatistik wirksamer von der Straße holen zu können, sagen Kripo-Chefin Martina Thon und Oberstaatsanwältin Anette Milk.

So genannte täterorientierte Ermittlungen sollen den erwünschten Erfolg bringen, dessen Gradmesser für Thon am Ende die Zahl derer ist, die in Haft wandern. Nach dem Vorbild der Ermittlungsgruppe Jugend sollen auch die 130 der Essener Polizei bekannten Intensivtäter künftig namentlich zwei bis drei Ermittlern in den jeweiligen Kommissariaten zugeordnet werden, in deren Zuständigkeit die jeweiligen Taten der Dauerkriminellen fallen.

Sonderabteilung für Intensivtäter eingerichtet

Durch die persönliche Verantwortung für einen einzelnen Täter und eine genaue Aktenkenntnis können sich die Beamten künftig ein detailliertes Bild von ihren Pappenheimern machen, um sicher zu wissen, mit wem sie es in jedem Einzelfall zu tun haben – und die kriminelle Historie penibel fortschreiben, um sie leichter wegsperren zu können. Auch bei der Staatsanwaltschaft wird es eine solch feste Zuordnung geben, bestätigte Anette Milk: „Wir haben eine Sonderabteilung für erwachsene Intensivtäter eingerichtet.“

„Das ist ein Elchtest. Doch ich erhoffe mir wirklich eine ganze Menge davon“, sagte Martina Thon in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Zunächst wollen sich die Behörden der „Hochkaräter“ in einem jeden Kommissariat annehmen, um zu sehen, ob das Kalkül aufgeht.

Dabei geht es wohlgemerkt nicht um die Vergewaltiger, Mörder, Erpresser und Räuber, die als Schwerkriminelle allesamt eh anderweitig verfolgt werden. Sondern vielmehr um Zeitgenossen wie jenen 27-Jährigen, der binnen zwei Jahren immerhin 60 Einträge als Tatverdächtiger meist wegen Hausfriedensbruchs in seiner Polizeiakte ansammelte. Doch es musste erst zu einer Körperverletzung kommen, um ihn in diesem Jahr hinter Gitter bringen zu können.