Essen. . Bis zum Jahresende müssen die Pfarreien im Bistum melden, welche Standorte sie aufgeben wollen. Auch prächtige Sakralbauten sind darunter.

  • Nikolaus-Kirche in Stoppenberg ist denkmalgeschützt - und soll dennoch aufgegeben werden
  • Bis zum Jahresende müssen die Pfarreien signalisieren, wo sie sich zurückziehen wollen
  • Bistum hat bei dem Prozess das Jahr 2030 im Blick: „Wir rechnen mit langen Übergangszeiten“

Die Nikolaus-Kirche in Stoppenberg, sie stand von je her auf wackeligem Grund: Bergschäden bescherten dem wuchtigen Bau immer wieder mal neue Sanierungsarbeiten, aber jetzt bröckelt es an anderer, entscheidenderer Stelle: Weil die Gläubigen ausbleiben und auf absehbare Zeit das Geld fehlt, soll das Gotteshaus mittelfristig nicht mehr genutzt werden.

Die Nikolauskirche, ausgerechnet: Jugendstil-Bau, denkmalgeschützt seit einem Vierteljahrhundert, Namensgeber für eine der zehn Essener Großpfarreien. Dass die Pfarrgremien – wohldurchdacht – auch einen solchen Sakralbau zu opfern bereit sind, zeigt, wie sehr die Neusortierung der katholischen Kirche ans Eingemachte geht.

Entscheidungsfindung auf der Zielgeraden

Nicht nur stadtweit, sondern im gesamten Ruhrbistum sind die Gemeinden auf der Zielgeraden, um zu klären, wie Kirche aussehen muss, wenn sie bis zum Jahr 2020 auf etwa ein Drittel und bis 2030 auf die Hälfte ihres Etats verzichten muss. Wie viel Personal, wie viele Kirchen kann man sich noch leisten? In wenigen Wochen werden überall die Voten von „PEP“ erwartet, dem so genannten „Pfarreientwicklungsprozess“, dessen Kurzbezeichnung bessere Laune verspricht als man vor Ort empfindet.

Denn „PEP“ bedeutet für viele Christen: Abschied nehmen von einem Stück Heimat. In Gerschede soll die Kirche von St. Paulus aufgegeben werden, in Schönebeck St. Antonius Abbas, in Schonnebeck St. Elisabeth, dazu Heilige Schutzengel in Frillendorf und Heilig Geist in Katernberg, Christi Himmelfahrt in Fischlaken, die Kirche Zur Schmerzhaften Mutter Maria in Werden-Hamm. Die Liste steht noch unter Vorbehalt, und sie dürfte noch deutlich länger ausfallen, so viel ist klar. Wie lang, darüber mag Rolf Preiss-Kirtz nicht spekulieren: „Zahlen zu nennen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös.“

„Es gab keine Denkverbote“

Preiss-Kirtz leitet die Koordinierungsstelle für Pfarreiprozesse beim Bistum, die sich den Gemeinden als zentrale Anlaufstelle anbietet und Fragen beantwortet. Fragen wie jene, ob das denn überhaupt geht, ein Denkmal wie St. Nikolaus zur Diskussion zu stellen. Ja, das geht, war die Antwort: „Es gab keine Denkverbote“, beteuert Preiss-Kirtz, „und Gott sei Dank auch nicht den ganz großen zeitlichen Druck“.

Bevor also „mittelfristig“ eine Kirche geschlossen wird, können Jahre, vielleicht ein Jahrzehnt oder mehr vergehen, um nach Investoren oder Kooperations-Partnern zu suchen. Zielhorizont der Planung ist das Jahr 2030, „wir rechnen mit langen Übergangszeiten.“

Der Bischof hat trotz allem das letzte Wort

Nur entscheiden werden sich die Gemeinden erst einmal müssen, die Frist dafür läuft zum Jahresende ab. Markus Potthoff, Leiter der Hauptabteilung Pastoral und Bildung im Bischöflichen Generalvikariat, wünschte den Gremien vor Ort dieser Tage „die Gelassenheit, Kompromisse zu schließen, die Bereitschaft, sich nicht an Details aufzureiben, und den Mut zu beherzten Entscheidungen“.

Man kann das Aus für die Nikolaus-Kirche also beherzt nennen, die Gremien sprechen lieber von einer Position, zu der man sich „schweren Herzens“ durchgerungen hat. Denn die Sache ist die: Die Verantwortung liegt bei ihnen, „die Ablehnung eines gut begründeten Votums ist (...) grundsätzlich nicht vorgesehen“, formuliert das Bistum.

Dennoch hat der Bischof das letzte Wort, kann sogar Geld loseisen, wenn dem Bistum der Erhalt einer Kirche wichtiger ist als der Pfarrei vor Ort. Vielleicht auch für St. Nikolaus, einst gebaut, weil die Stiftskirche für die Zahl der Gläubigen zu klein war. 110 Jahre ist das her.

>>WENIGER PERSONAL FÜR WENIGER KIRCHEN

Nicht nur die Zahl der Gläubigen geht bei der katholischen Kirche spürbar zurück – auch das aktive pastorale Personal schrumpft zusehends.

Nach einer Statistik des Bistums waren 2015 noch 230 Priester aktiv, 2030 werden es nur noch 119 sein. Im gleichen Zeitraum sinkt die Zahl der Referent(inn)en von 186 auf 156. Noch 1990 gab es 635 Priester.