Essen. . Klaus Kunze, Ex-Chef der Entsorgungsbetriebe Essen, muss drei Jahre in Haft. Gefälligkeiten und politische Klimapflege waren bei der EBE System.

  • Klaus Kunze, Ex-Geschäftsführer der Entsorgungsbetriebe Essen, wegen Untreue verurteilt
  • Kunze soll drei Jahre ins Gefängnis. Gericht: Gefälligkeiten und politischer Klimapflege waren System
  • Anwalt kündigt Revision an. Kunze muss um wirtschaftliche Existenz fürchten. Bewährung für Ex-Ratsherrn

Klaus Kunze muss ins Gefängnis: Die XII Strafkammer des Landgerichts Essen verurteilte den ehemaligen städtischen Geschäftsführer der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Untreue in sechs Fällen. Für die Kammer bestand nach 21 Prozesstagen kein Zweifel mehr daran, dass Kunze seine Pflichten als Geschäftsführer in erheblichen Maße verletzt hatte, zu Lasten der EBE und damit nicht zuletzt der Gebührenzahler.

Dennoch sprach der Vorsitzende Richter Simon Assenmacher mit Blick auf das Urteil von einer „gravierenden Entscheidung“. Klaus Kunze stand 13 Jahre an der Spitze der EBE. Er hatte sich hochgearbeitet vom städtischen Auszubildenden, der seinen Dienst als 14-Jähriger in kurzen Hosen antrat, bis zum Geschäftsführer einer städtischen Tochter, war anerkannt in Politik und Stadtgesellschaft. Kurz: Kunze wusste, wie der Laden läuft. Eben darin sah das Gericht letztlich die Ursache für das Fehlverhalten des heute 73-Jährigen.

Kostenlose Fahrer für zwei Bürgermeister

Kunze habe sich „in eine Struktur verstrickt“, die dazu geführt habe, dass er Entscheidungen nicht mehr nach kaufmännischen Erwägungen getroffen habe, sondern aus Gefälligkeit, als Freundschaftsdienst oder aus Gründen der politischen Klimapflege. Eine saubere Trennung habe es nicht gegeben. Von „einem System“ zu sprechen, sei keine Spekulation, betonte Richter Assenmacher, sondern „ein naheliegender Schluss“.

So hatte Kunze nach Überzeugung des Gerichts den ehrenamtlichen Bürgermeistern Annette Jäger und Rudi Jelinek über Jahre Fahrer der EBE überlassen, ohne die Kosten dafür der Stadt in Rechnung zu stellen. Keinesfalls sei dies ein „bloßes Versehen“ gewesen, wie Kunze im Verlauf des Prozesses behauptet hatte. Er habe vielmehr seinen „guten Draht“ zur Stadtspitze und zur Politik pflegen wollen. Aus dem gleichen Motiv habe er ein teures Poolfahrzeug angeschafft; einen Audi A 6, der auch der Stadtspitze zur Verfügung stand. Ob diese den Wagen nutze, bleibt dahingestellt. Für das Gericht spielte das keine Rolle.

Aus Gefälligkeit soll Kunze seinen Parteifreund, den damaligen SPD-Ratsherrn Harald Hoppensack, mit einem üppig dotierten Vertrag als IT-Berater versehen haben, der diesem einen Tagessatz von 1500 Euro sicherte. Reine Gefälligkeit soll Kunze auch dazu bewogen haben, dem Mülheimer Metallhändler D., aus der Patsche zu helfen, nachdem dieser sich in einem Geschäft mit der EBE, dem Aufkauf von Metallschrott, verkalkuliert hatte und den vereinbarten Preis nicht zahlen konnte. Beim gemeinsamen Mittagessen beim Nobelitaliener „La Grappa“ seien sich beide einig geworden, wie sie die Sache aus der Welt schaffen. Den Fehlbetrag in der Buchhaltung, mindestens 94 000 Euro, ließ Kunze mit Scheinrechnungen ausgleichen. D. wurde wegen Beihilfe zur Untreue zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, Hoppensack erhielt ein Jahr, auch auf Bewährung.

Gericht sieht erhebliche kriminelle Energie

Nein, Kunze hatte nicht etwa allenfalls fahrlässig gehandelt, wie die Verteidigung hatte glauben machen wollen. Erhebliche kriminelle Energie erkannte das Gericht gar, weil er die Personalakte des Betriebsratsvorsitzenden Thomas Altenbeck hatte „säubern“ lassen. Kunze habe sich das Wohlwollen des Betriebsratschefs erkaufen wollen, und diesen deshalb unberechtigterweise in höhere Lohngruppen einstufen lassen. Der Deal wäre wohl aufgefallen, ließ der private Mitgesellschafter der EBE, die Firma Remondis, die Wirtschaftsprüfer unter jeden Teppich schauen. Kunze wollte die Sache unter denselben kehren. Dass dies möglich war, erklärte das Gericht mit dem Klima, das Kunze als Geschäftsführer im Hause geschaffen hatte. Ein Klima, in dem er Kritik selbstherrlich zurückwies und in dem Mitarbeiter lieber darauf verzichteten, Nachfragen zu stellen.

Klaus Kunze nahm das Urteil äußerlich gefasst auf. Dass ihm die ganze Geschichte zugesetzt hat, war nicht zu übersehen. Noch heute befindet er sich in psychiatrischer Behandlung. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte er auf dem Gerichtsflur. Kunzes Verteidiger, Rechtsanwalt Nils Holtmann, will in Revision gehen. Vor dem Bundesgerichtshof wird er der Strafkammer nachweisen müssen, dass sie rechtliche Fehler begangen hat. Gelingt dies nicht, wird das Urteil rechtskräftig. Sofern es sein Gesundheitszustand zulässt, wird Klaus Kunze seine Haftstrafe antreten müssen.