Essen. An der Karl-Meyer-Straße steht der älteste Bergmannskotten in Essen-Schonnebeck. Er ist ein Relikt des Bevölkerungsbooms im 19. Jahrhundert.
Das älteste Haus der Karl-Meyer-Straße hat schon bessere Tage gesehen: Türen und Fenster des 1874 gebauten Bergmannskotten sind verrammelt, die Wandfarbe abgeblättert. Der Garten, der durch den hohen Bretterzaun nur in Teilen zu erspähen ist, wuchert schon seit Jahren vor sich hin. „Das wird wohl abgerissen, wenn sich ein Investor findet“, vermutet Gerhard Wolff, Mitglied im Geschichtskreis Stoppenberg, der sich auch mit der Schonnebecker Historie befasst.
Das sogenannte „Wagenersche Haus“ steht exemplarisch für eine Zeit des Aufbruchs und der harten Arbeit, die die Gegend nahe der Zeche Zollverein geprägt hat. Es ist der einzige Bergmannskotten in Schonnebeck, der noch im Ursprung erhalten ist. „Dort haben zeitweise bis zu zehn Menschen gelebt. Auch sogenannte Kostgänger, die nur zum Schlafen und Essen dort waren und sich ihr Bett je nach Schicht sogar mit anderen teilten“, weiß Gerhard Wolff, der als Rechtsanwalt in Stoppenberg arbeitet.
Die Karl-Meyer-Straße
Zeche Zollverein lockte die Arbeiter ins Revier
Schonnebeck erfuhr damals einen regelrechten Bevölkerungsboom: Waren dort 1832 noch 211 Menschen gemeldet, so lebten dort knapp 40 Jahre später schon 1196 Menschen. Die nahe gelegene Zeche Zollverein lockte mit jeder Menge Arbeit ins Revier.
Wie die meisten Essener Stadtteile war auch Schonnebeck in den Jahrzehnten zuvor von kleinen Bauernhöfen geprägt, die es nicht leicht hatten: „Die kreuzende Saatbruchstaße erinnert mit dem niederdeutschen Wortbestandteil ,Bruch’ bis heute an das sumpfige Gebiet, das hier mal war“, erklärt Gerhard Wolff. Die Karl-Meyer-Straße und auch der Karl-Meyer-Platz hingegen wurden nach dem letzten Bürgermeister Stoppenbergs benannt: Carl Meyer, der von 1895 bis 1924 der selbstständigen Bürgermeisterei vorstand.
Durch den Boom auf Zollverein war Stoppenberg zeitweise die größte Landgemeinde in Preußen, zu der neben Schonnebeck auch Karnap, Altenessen, Rüttenscheid, Rotthausen und Kray-Leithe zählten.
Die Bausubstanz der alten Gebäude hat gelitten
Wolff: „Zollverein war großzügig zu den Leuten hier. Der Karl-Meyer-Platz etwa wurde von der Zeche gekauft und der Gemeinde als Marktplatz zur Verfügung gestellt.“ Mit der Jugendhalle am Karl-Meyer-Platz wurde 1915 in Schonnebeck ein architektonischer Glanzpunkt gesetzt: „Die Jugendhalle hat Georg Metzendorf entworfen, der vor allem für die Gartenstadt Margarethenhöhe bekannt wurde“, erklärt Gerhard Wolff.
In der Karl-Meyer-Straße stehen noch einige steinerne Zeitzeugen aus den Jahrzehnten des Aufschwungs: von Zollverein errichtete Werkswohnungen etwa und die alte Polizeiwache aus dem Jahr 1920, der wohl auch der Abriss droht, wie Gerhard Wolff fürchtet. Die Bausubstanz zahlreicher alter Gebäude habe gelitten in den vergangenen Jahrzehnten, ihr Erhalt sei kaum wirtschaftlich.
Aldi möchte in neuen Markt investieren
Einen Wandel versprechen sich viele Schonnebecker von Abriss und Umnutzung des 1900 als Schillerschule errichteten Backsteinbaus an der Ecke Saatbruch-/Karl-Meyer-Straße. Dort laufen zurzeit die Verhandlungen mit Lebensmitteldiscounter Aldi, der auf dem Gelände in einen neuen Markt investieren will. Für den Handelsriesen eine traditionsreiche Ecke – schließlich nahm die Aldi-Erfolgsgeschichte nur wenige Meter weiter an der Huestraße ihren Anfang.