Essen. Die Bochumer Straße in Essen-Steele sollte zu Beginn der Industrialisierung den Handel zwischen dem Sauerland und dem Ruhrgebiet erleichtern.

Bis in die 1970er-Jahre war sie eine der wichtigsten Handels- und Verkehrs-Routen zwischen Westfalen und dem Rheinland: Die bereits 1787 erbaute Bochumer Straße zwischen Steele und Meinerzhagen war eine der ersten so genannten Kunststraßen in Essen. Sie wurde angelegt, um das Steinkohlerevier im Ruhrgebiet mit den Erzlagerstätten im Sauer- und Siegerland zu verbinden. Zwar werden darüber mittlerweile längst keine Rohstoffe mehr transportiert: Dafür ist die Bochumer Straße bis heute das Einkaufszentrum für Steele geblieben.

Anhand alter Postkarten und Schwarz-Weiß-Fotos zeigt Arnd Hepprich, dass auf dem Abschnitt zwischen Grend-Platz und Grenoblestraße schon immer eine Menge los war. Für den Vorsitzenden des Steeler Archivs ist die Straße eine der spannendsten in Steele – auch, weil sie vom weiträumigen Stadtteilumbau in den 1970er-Jahren weitgehend verschont blieb: „Viele Häuser sind hier zum Glück erhalten geblieben. An ihnen lässt sich auch ein gutes Stück Steeler Geschichte festmachen“, sagt Hepprich.

Dabei verweist Hepprich auf das noch erhaltene, frühere Verwaltungsgebäude der Glashütte Wisthoff, die mittlerweile Teil der Gerresheimer-Gruppe ist. Die großen Produktionshallen hingegen, die sich früher direkt anschlossen, wurden im Zuge der heute umstrittenen Steeler Sanierung abgerissen. An der Bochumer Straße 64 steht statt der einstigen Glashütte heute das noch immer höchste und wohl auch bekannteste Wohnhaus der Stadt.

Die Bochumer Straße

Seltene Aufnahme: Die Bochumer Straße am Sonntagvormittag, frei von Passanten. Normalerweise ist die Fußgängerzonebelebt und die Meile zwischen Grend- und Dreiringplatz beliebt.
Seltene Aufnahme: Die Bochumer Straße am Sonntagvormittag, frei von Passanten. Normalerweise ist die Fußgängerzonebelebt und die Meile zwischen Grend- und Dreiringplatz beliebt. © Michael Gohl
Die Bochumer Straße war einst eine der wichtigesten Handels- und Verkehrs-Routen zwischen Westfalen und dem Rheinland.
Die Bochumer Straße war einst eine der wichtigesten Handels- und Verkehrs-Routen zwischen Westfalen und dem Rheinland. © Michael Gohl
Die Bochumer Straße wurde bereits 1787 zwischen Steele und Meinerzhagen erbaut.
Die Bochumer Straße wurde bereits 1787 zwischen Steele und Meinerzhagen erbaut. © Michael Gohl
Das ehemalige Wisthoff'sche Wohnhaus an der Bochumer Straße. Das Haus wurde Anfang des 19. Jahrhunderts als Wohnhaus des Fabrikanten Wisthoff erbaut. Friedrich Ignatz Wisthoff übernahm im Jahr 1820 die damals gegenüberliegende Glashütte.
Das ehemalige Wisthoff'sche Wohnhaus an der Bochumer Straße. Das Haus wurde Anfang des 19. Jahrhunderts als Wohnhaus des Fabrikanten Wisthoff erbaut. Friedrich Ignatz Wisthoff übernahm im Jahr 1820 die damals gegenüberliegende Glashütte. © Christof Köpsel
Das verschieferte Fachwerkhaus steht unter Denkmalschutz.
Das verschieferte Fachwerkhaus steht unter Denkmalschutz. © Christof Köpsel
Seitenansicht des ehemaligen Wisthoff'schen Wohnhauses.
Seitenansicht des ehemaligen Wisthoff'schen Wohnhauses. © Christof Köpsel
Unterwegs auf der Bochumer Straße.
Unterwegs auf der Bochumer Straße. © Christof Köpsel
Die Bochumer Straße liegt zwischen Grendplatz (hier im Bild) und Grenoblestraße.
Die Bochumer Straße liegt zwischen Grendplatz (hier im Bild) und Grenoblestraße. © Christof Köpsel
An der Stelle des Wohnhauses standviele Jahre die Glashütte Wisthoff.
An der Stelle des Wohnhauses standviele Jahre die Glashütte Wisthoff. © Christof Köpsel
Unterwegs auf der Bochumer Straße.
Unterwegs auf der Bochumer Straße. © Christof Köpsel
Unterwegs auf der Bochumer Straße.
Unterwegs auf der Bochumer Straße. © Christof Köpsel
Unterwegs auf der Bochumer Straße.
Unterwegs auf der Bochumer Straße. © Christof Köpsel
Unterwegs auf der Bochumer Straße
Unterwegs auf der Bochumer Straße © Christof Köpsel
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Stolpersteine erinnern an die vielen jüdischen Geschäfte

Neben Wisthoff hat die Bochumer Straße noch weitere Familien-Unternehmen hervorgebracht: Tischlermeister Josef Kröger etwa legte dort 1884 den Grundstein für das gleichnamige Möbelgeschäft, das heute über 300 Mitarbeiter beschäftigt. Auf eine lange Tradition zurückblicken kann auch die Metzgerei von Otto Velten, die schon seit 1873 Wurst- und Fleischwaren an der Bochumer Straße verkauft.

„Bis in die 1930er-Jahre gab es hier auch viele jüdische Geschäfte, an die mittlerweile Stolpersteine erinnern“, sagt Arnd Hepprich und verweist auf viele prunkvolle Stadthäuser, die bis heute erhalten sind. „Schon um 1900 war die Gegend rund um den Grendplatz die Einkaufsmeile schlechthin. Es gab viele inhabergeführte Fachgeschäfte“, erinnert sich Hepprich, der den Branchenmix an der Bochumer Straße noch immer zu schätzen weiß. „Dieses Stadtteilzentrum funktioniert.“

Verkehrsreichere Zeiten im Zentrum von Steele

Dabei konnten Fußgänger nicht immer so entspannt flanieren wie heute: Erst mit dem Abschluss der Steeler Sanierung wurde ein Teil der Bochumer Straße 1980 zur Fußgängerzone. Vorher drängten sich die Straßenbahn und unzählige Autos dicht aneinander. „An der Kreuzung zur Dreiringstraße hing bis in die 1960er-Jahre eine der wenigen früheren Heuer-Ampeln“, weiß Hepprich. Die Ampeln glichen quadratischen Würfeln und regelten den Verkehr über einen Zeigerstand. Bis heute erinnern die Oberleitungskabel der Straßenbahn an verkehrsreichere Zeiten im Zentrum von Steele.

Schließlich ging die Bochumer Straße in der Zeit vor dem Stadtteilumbau noch nahtlos in die Bochumer Landstraße über. Bis zum Bau der Autobahn 45 galt die rund 80 Kilometer lange Verbindung als wichtigste zwischen dem Sauerland und dem Ruhrgebiet.

Alte Grenze unterhalb der Bochumer Straße

Unterhalb der Bochumer Straße fließt dabei bis heute die ursprüngliche Grenze zwischen dem Rheinland und Westfalen, weiß Arnd Hepprich: „Der Mühlenbach, der mittlerweile unter die Erde verbannt wurde, markierte lange Zeit diese Grenze, es gab sogar eine Zollstation. Heute gilt Bochum als letzte westfälische Stadt, ehe das Rheinland beginnt.“

Die alte Grenze ist gleichzeitig die Begründung für die frühere Trennung zwischen Steele und Königsteele bis zum Jahr 1926. Damals hieß die Straße, die zunächst als „Chaussee nach Bochum“ bekannt wurde, allerdings noch Berliner Straße. Ihren endgültigen Namen bekam die Bochumer Straße erst 1936, sieben Jahre nach der Eingemeindung Steeles in die Stadt Essen. Nicht nur wegen des Einkaufszentrums vor der eigenen Haustür ist diese Zugehörigkeit in manchen Köpfen und vor allem Herzen aber immer noch nicht angekommen. „Wenn der Steelenser in die Stadtmitte will, fährt er nach Essen“, sagt Arnd Hepprich.

Am 11. Mai wollen die Historiker aus dem Steeler Archiv eine Gedenktafel aufstellen, um an die alte Grenze zwischen dem Rheinland und Westfalen zu erinnern.