Essen. . Die Abgeordneten Britta Altenkamp (SPD) und Ralf Witzel (FDP) gehören dem Landtag seit 17 Jahren an. Wie sie ihre Rolle verstehen und ausfüllen.
- Sie gehört der Regierungskoalition an, er sitzt auf der Oppositionsbank. Beide sind alte Hasen
- Britta Altenkamp (SPD) und Ralf Witzel (FDP) gehören dem Landtag seit 17 Jahren an
- Ihr Rolle füllen sie unterschiedlich aus. Sie nennt sich auch Lobbyisten, ihn nennt man Mister-FDP
Sie gehört der Regierungskoalition an, er sitzt auf der Oppositionsbank. Beide sind alte Hasen im Landesparlament: Britta Altenkamp (SPD) und Ralf Witzel (FDP) stellen sich am 14. Mai wieder zur Wahl. Wie verstehen sie ihr Amt, was ist ihnen wichtig? Der Versuch einer Annäherung.
Britta Altenkamp, SPD
Wir treffen Britta Altenkamp im Lore-Agnes-Haus der Essener Arbeiterwohlfahrt. Einmal in der Woche hat sie ihren Awo-Tag. Seit 2011 ist die 53-jährige Landtagsabgeordnete aus Holsterhausen ehrenamtliche Vorsitzende des Wohlfahrtsverbandes im Bezirk Niederrhein. Begeistert erzählt sie von einem Projekt zur Sexualaufklärung für Flüchtlinge, das die Einrichtung anbietet und an diesem Tag beim Deutschen Jugendhilfetag in Düsseldorf vorstellt. Altenkamp will am Nachmittag hinfahren.
Die ehrenamtliche Arbeit sei ihr wichtig. „Da bin ich Lobbyistin“, sagt sie selbst. Was läuft gut, was läuft schlecht? In der nächsten Legislaturperiode will sie sich für ein neues „Kita-Gesetz“ stark machen. Die Träger von Kindertagesstätten seien chronisch unterfinanziert. Da gebe es Korrekturbedarf.
Britta Altenkamp wird dem Landesparlament auch nach dem 14. Mai angehören. Seit 17 Jahren hat sie dort ihren Platz. Ihr Wahlkreis im Essener Westen ist eine sichere Bank für die SPD. Trotzdem wird sie wieder an den Info-Ständen stehen, wie sie sich regelmäßig in den Ortsvereinen ihres Wahlkreises sehen lässt. „Das erwarten sie von einem in der SPD“, wo sie Basisarbeit goutieren und es Überflieger schwer haben.
Mit der Ministerpräsidentin kann sich auch zoffen
Seit den späten 1980ern ist Altenkamp in der Partei. Als stellvertretende Landesvorsitzende zählt sie zu den einflussreichsten Politikerinnen im Land. Altenkamp ist dicht dran am Zentrum der Macht um Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, zu der sie, wie sie selbst sagt, ein gutes Verhältnis pflegt. Aber: „Wir können uns auch zoffen.“ Wer Altenkamp auch nur flüchtig kennt, weiß: Auf den Mund gefallen ist sie nicht.
Ihre persönlichen Ambitionen erhielten einen empfindlichen Dämpfer, als sie zu Zeiten der rot-grünen Minderheitsregierung als parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion zurücktreten musste. Es ging um eine Abstimmung, bei der ein Abgeordneter der CDU krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte. Anders als es Altenkamp zugesagt hatte, trat die SPD-Fraktion komplett an – und entschied die Abstimmung für sich. Die CDU fühlte sich über den Tisch gezogen. „Das tat weh“, sagt sie. Fairness sei ihr wichtig.
Das ist ein hohes Gut in der Politik, wo es mitunter ja zugehen soll wie in einem Haifischbecken. Im Essener SPD-Becken schwammen besonders gefräßige Exemplare herum zu Zeiten eines Willi Nowack, einst mächtiger Fraktionschef im Stadtrat und lange Jahre Abgeordneter wie Altenkamp. Im Landtag saßen sie nebeneinander. Altenkamp hielt sich über Wasser und nimmt für sich in Anspruch, dass sie es war gemeinsam mit Rolf Hempelmann, dem Bundestagsabgeordneten, und der damaligen Vorsitzenden Elke Esser, die Nowack zu Fall gebracht habe.
Es ist nicht lange her, wenige Monate erst, da stand sie noch selbst an der Spitze der Essener Sozialdemokraten. Im Streit um die Flüchtlingspolitik, den Genossen aus dem Norden auf die Spitze trieben, als sie zu einer Demo gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften aufriefen, warf sie die Brocken hin. Altenkamp wollte diesen Konflikt nicht moderieren. In der Flüchtlingsfrage war sie festgelegt durch ein positives Menschenbild. Heute zweifelt sie manchmal daran. Bei Facebook hat sie sich abgemeldet, der vielen Hasskommentare wegen. „Das will ihr ich mir nicht antun.“ Auch in den Lokalzeitungen taucht Altenkamp nur noch selten auf. „Ich muss nicht auf jedes Foto“, sagt sie. Die nächste Legislaturperiode soll ihre letzte sein. Dann wäre sie 58. Jung genug, um etwas anderes zu machen. Etwas anderes als Politik.
Ralf Witzel, FDP
Wir treffen Ralf Witzel in seinem Büro im Düsseldorfer Landtag: ein malerischer Blick über die Rheinwiesen, den breiten Strom, den Medienhafen. Nicht schlecht. Nur: „Im Sommer herrscht hier eine brüllende Hitze“, berichtet Witzel. Und dann die vielen Mücken. Es klingt so, als wollte der 47-Jährige gar nicht hierher zurückkehren. Dabei darf er sich dessen so sicher sein wie selten zuvor. In Umfragen liegt die FDP zwischen neun und elf Prozent. Witzel steht auf Platz vier der Reserveliste. Was soll da noch schief gehen? „In der Politik ist alles möglich“, sagt er selbst.
Witzel war Student, als er 1995 zum ersten Mal kandidierte. Fünf Jahre später wurde er erstmals zum Abgeordneten gewählt. Längst beherrscht er seine Rolle, zu der es gehört, mit vielen Worten auch mal wenig zu sagen oder Altbekanntes neu zu verpacken. Rhetorisch kann er sich am politischen Gegner abarbeiten, mit besonderem Eifer an den Grünen. Dann spricht er von Radwegewahn, Planungsverhinderern und Gender-Irrsinn in der deutschen Sprache.
Er kommt mit „Kleinen Anfragen“ schon mal groß raus
Dennoch: Witzel ist kein Dampfplauderer. Er selbst nennt sich einen Vollblutpolitiker. Unter den sechs Essener Landtagsabgeordneten ist kaum einer in den lokalen Medien so präsent wie er. Pressemitteilungen schreibt er selbst, mit Vorliebe an Sonntagen, weil die Chance gedruckt zu werden, dann größer ist. Und: Witzel beherrscht es, mit „Kleinen Anfragen“ an die Regierung groß rauszukommen. Er will wissen, wie es um den Unterrichtsausfall steht, um die personelle Ausstattung der Polizei oder um die teure Anmietung von Flüchtlingsunterkünften. Witzel kann zäh sein. Vier Jahre habe er auf eine Antwort zu den Verstrickungen der WestLB gewartet, erzählt er. Einer aus dem Regierungslager habe ihm mal gesagt, er nerve. In Witzels Ohren ein Kompliment.
So verhilft er den Essener Liberalen, die im Rat nur noch wenig zu sagen haben, seit sie auch dort auf der Oppositionsbank sitzen, zu überproportionaler Aufmerksamkeit. Mancher sagt, er sei „Mister-FDP“, was nicht jeder goutiert in seiner Partei. Dass Witzel bei all seinem Tun immer auch die eigene Karriere im Sinn hat – diesen Gedanken weist er von sich. 2012, als die Zeit der SPD-geführten Minderheitsregierung knall auf Fall endete und der Landtag vorzeitig aufgelöst wurde, hätte nur einer aus den Reihen der Opposition dagegen stimmen müssen. Die FDP stimmte geschlossen dafür, obwohl sie in Umfragen damals bei nur zwei Prozent lag, erzählt Witzel und nennt das Haltung.
Mit seiner Abgeordneten-Karriere hätte es damals vorbei sein können. Wenige Wochen später zogen die Liberalen wieder ein ins Parlament. Wer weiß, diesmal könnte es vielleicht sogar für eine sozial-liberale Koalition reichen. Mit Witzel als Minister? Er verneint, will nicht spekulieren und ist doch ganz bei sich: Sollte seine Partei eingeladen zu einem Gespräch, werde sie die Einladung annehmen. Das gehöre sich so. Der Mann ist Politiker durch und durch.