Essen. . Trotz Kritik von Eltern hält die Stadt Essen am Online-Vormerksystem „Little Bird“ fest. Was jetzt nachzubessern ist. Eine Analyse der Problemlage.

  • Viele Eltern sind weiter im Ungewissen, ob sie ab Sommer einen Kitaplatz für ihr Kind haben
  • Jetzt ist klar, dass es weniger handfeste technische Probleme gibt, dafür oft Benutzerunfreundlichkeit
  • Die Stadt will das System „nachbessern“. Auch Kita-Verbände gegen Ausstieg aus „Little Bird“

Die Stadt hält an „Little Bird“ fest, dem neuen Online-Vormerksystem für Kitaplätze. Eltern hatten nach Schwierigkeiten den Ausstieg für ein Jahr gefordert und die komplette Überarbeitung des Systems für notwendig erklärt.

Sozialdezernent Peter Renzel kündigte am Dienstag im Jugendhilfeausschuss an, dass das System „optimiert und verbessert“ werde und man insgesamt auf „gutem Weg“ sei. Auch Björn Enno Hermans, der für die „AG Wohlfahrt“ spricht, den Zusammenschluss sechs großer Wohlfahrtsverbände und Kita-Träger, rät von einer Rolle rückwärts ab: „Das würde die Situation verkomplizieren, auch für die Eltern“.

Unterdessen klagen viele Väter und Mütter weiter – entweder über ihre fehlende Gewissheit, was einen Kita-Platz ab Sommer angeht, oder über technische Unzulänglichkeiten des Systems.

Dabei wird deutlich, dass es rund um „Little Bird“ und die Kitaplatzvergabe in diesem Jahr viele unterschiedliche Probleme gibt, die nicht alle direkt etwas miteinander zu tun haben. Eine Übersicht.

1. Problem: Es gibt stadtweit zu wenig Kitaplätze

Im Moment fehlen stadtweit 2400 Kita-Plätze. Die Stadt baut weiter aus. Im kommenden Kita-Jahr, für das jetzt die Platzvergabe läuft, sollen 900 weitere Plätze entstehen, sodass die Lücke kleiner wird. Ob Nina Schäfer (34) das noch nützt? Die Mutter aus Überruhr hat ihren Sohn Aaron (16 Monate) ab August in fünf Kitas über „Little Bird“ angemeldet. Sie hat auch alle Einrichtungen besucht und sich persönlich vorgestellt. Ergebnis: „Ich habe keinen Platz bekommen. Das habe ich aber nicht über ,Little Bird’ erfahren, sondern ich habe alle Kitas irgendwann selbst angerufen.“ Die Ernährungswissenschaftlerin, die ab November wieder arbeiten gehen will, hofft jetzt auf das Nachrückverfahren. „Derzeit hängen wir in der Luft, das ist sehr unschön.“ Zwar schafft ein Online-Vormerksystem natürlich keine Kita-Plätze. „Aber die Probleme im Portal machen es Eltern wirklich schwer, die Übersicht zu behalten“, sagt Nina Schäfer. Beispiel: Mal eben online die eigene Handy-Nummer im System aktualisieren – ein Ding der Unmöglichkeit. Oder: Kitas in der Prioritäten-Liste verändern – geht nicht.

2. Problem: „Little Bird“ produziert Missverständnisse

Alexander Möhl (38), Vermessungs-Ingenieur aus Rüttenscheid, wollte für Sohn Elias (3) einen Wechsel vorbuchen von der Tagesmutter zur Kita. Doch die Eingabemaske bei „Little Bird“ ist so missverständlich formuliert, dass Möhl versehentlich falsche Angaben machte – Resultat: „Little Bird“ hält Möhls Sohn für versorgt, fragte keine Kita an.

Damit ist Möhl jetzt aus der Vergabe für das Kitajahr 2017/18 herausgefallen. „Uns ist damit nicht geholfen, ich bange um meinen Arbeitsplatz, auch wenn ein Job-Verlust der Extremfall wäre“, sagt Möhl. Auch Mutter Rijane Mahnert bangt: Sie hat ihre Tochter in sieben Kitas angemeldet – Nachrichten bislang: keine. „Alles ist noch offen. Transparenz sieht anders aus.“

3. Problem: „Little Bird“ weckt falsche Erwartungen

Viele Eltern waren davon ausgegangen, dass pünktlich am 1. März eine Zu- oder Absage per E-Mail von „Little Bird“ verschickt wird. „Dabei ist richtig, dass der Bescheid ab 1. März erfolgt, nicht unbedingt am 1. März selbst“, stellt Sozialdezernent Peter Renzel richtig. Der aktuelle Stand am Dienstag: Von den rund 4500 zu vergebenen Plätzen sind 840 definitiv weg. Und 2290 Reservierungen werden derzeit bearbeitet. Alle Plätze sollen bis etwa Anfang April vergeben worden sein.

Rein technisch gab es ausschließlich rund um den Stichtag 1. März einen Daten-Stau bei „Little Bird“: 12000 E-Mails mit Zu- oder Absagen sollten gleichzeitig verschickt werden, das klappte nicht. Renzel ist mittlerweile davon abgerückt, Schadensersatzforderungen an „Little Bird“ zu stellen. „Ich habe mich die letzten anderthalb Wochen hineingekniet, und wir werden alle Schwierigkeiten ausräumen.“ Tatsächlich hat er sich bei vielen Müttern und Vätern persönlich gemeldet. Einen Kitaplatz versprechen kann er aber auch nicht.