Essen. . OB Kufen hat Simone Raskob Kompetenzen entzogen – offiziell um sie im „Grüne Hauptstadt“-Jahr zu entlasten. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

  • Simone Raskob bekommt einen Co-Dezernenten an die Seite. Offiziell heißt es, um sie zu entlasten
  • Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) steht nicht uneingeschränkt hinter der Beigeordneten
  • Schon Kufens Vorgänger Reinhard Paß hatte Raskob auf dem Kieker. Dezernenten-Karussell in Bewegung

In wenigen Tagen darf Essen sich „Grüne Hauptstadt Europas“ nennen. Nicht nur die Stadt an der Ruhr gibt dann eine Visitenkarte ab. Auch Simone Raskob. Es war auch der Erfolg der städtischen Beigeordneten für Bauen und Umwelt, als die Europäische Kommission 2015 den Titel nach Essen vergab. Als das Rathaus dieser Tage mitteilte, dass der Beigeordneten ein Co-Dezernent zur Seite gestellt wird, schien dies naheliegend. Die 55-Jährige soll sich ganz der Grünen Hauptstadt widmen, Dieter Schmitz, Leiter des Stadtamtes für Straßen und Verkehr, soll den Bereich Bauen übernehmen und Raskob von dieser Aufgabe entlasten, ließ Oberbürgermeister Thomas Kufen wissen. Normales Verwaltungshandeln? Oder Anfang vom Ende der Ära Raskob?

Essens OB steht nicht uneingeschränkt hinter ihr

Zugegeben, eine vergleichbare Konstellation hatte sich zur Kulturhauptstadt 2010 bewährt, damals mit Kulturdezernent Oliver Scheytt und Rüdiger Kersten, der sich um Bildung und Schule kümmerte und Scheytt den Rücken frei hielt. Doch wo damals weitgehend Harmonie herrschte, soll es im Fall Raskob mächtig geknirscht haben. OB Kufen, so ist zu hören, steht längst nicht uneingeschränkt hinter seiner Beigeordneten. Kufen soll gar erwogen haben, Raskob die Zuständigkeit für den Baubereich zu entziehen und in eigener Verantwortung zu führen.

Zu viele negative Schlagzeilen gab es: über Chaos in der Aktenführung in der Immobilienwirtschaft und über Millionenbeträge, die nicht wie geplant verbaut wurden, weil Mitarbeiter mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise beschäftigt waren. All das mag Raskob nicht persönlich anzulasten sein. Anders sieht es aber mit den Zweifeln an ihren Führungsqualitäten aus. In ihrem Dezernat genießt sie den Ruf eines Kontrollfreaks, ihr Umgang mit Mitarbeitern soll bisweilen ausgesprochen hart sein.

Entsprechend mäßig ist die Stimmung. Sie sei eine, „die nicht loslassen kann“, die auch Kleinigkeiten selbst entscheiden wolle. Dass jemand, der so tickt, Verantwortung leicht aus der Hand gibt, scheint wenig glaubhaft. Das gilt zumal dann, wenn man, was Raskob nachgesagt wird, extrem ehrgeizig ist. Kufen hatte offenbar seine Zweifel, ob sie den Anforderungen im Grüne-Hauptstadt-Jahr vollständig gerecht werden kann.

Schon Kufens Vorgänger Reinhard Paß hatte sie auf dem Kieker

„Sie ist noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen“, sagt ein Insider hinter vorgehaltener Hand. Denn als Oberbürgermeister hat Kufen die Grüne Hauptstadt zu seinem Projekt erklärt. Auch deshalb scheute er offenbar davor zurück, seine Dezernentin kurz vor der Startlinie öffentlich zu desavouieren. Die Co-Dezernenten-Lösung sei eine, mit der beide Seiten leben könnten. Manche glauben zu wissen, wie es in ihr aussieht: „Das stinkt ihr.“ Immerhin: Raskob wahrt ihr Gesicht.

Schon Kufens Vorgänger Reinhard Paß (SPD) hatte sie auf dem Kieker. Dass Tischtuch zwischen beiden zerriss spätestens an jenem Morgen nach dem Bürgerentscheid zum Messe-Ausbau, als in dieser Zeitung ein Foto erschien, das Raskob in Feierlaune auf einer Wahlparty der Grünen zeigte. Die Dezernentin, den Grünen nahestehend, bejubelte eine krachende Niederlage ihres Chef. Paß soll getobt haben. Auch bei der CDU, die wie Paß für einen Messe-Teilneubau geworben hatte, kam das nicht gut an.

Die Grünen stellen sich nicht mehr reflexartig vor „ihre“ Dezernentin

Als parteilose Dezernentin, 2005 unter schwarz-grüner Mehrheit ins Amt gehoben, stand sie unter besonderem Schutz, so lange die Grünen im Rat der Stadt für die Entscheidungsfindung nötig waren, zuletzt gemeinsam mit CDU, FDP und dem Essener Bürgerbündnis bis zur Kommunalwahl 2014. Dann wurden die Karten neu gemischt. Nun, da SPD und CDU die Mehrheit stellen, fehlt Raskob eine politische Hausmacht. Auch die Grünen stellen sich nicht mehr reflexartig vor „ihre“ Dezernentin. Als Raskob jüngst heftige Kritik einstecken musste für die geplante „Ela-Plattform“ im Schellenberger Wald, kam nur beredtes Schweigen.

Raskobs Stern scheint zu sinken. Die Fallgeschwindigkeit könnte zunehmen, je mehr Fahrt das Dezernenten-Karussell aufnimmt. Stadtkämmerer Lars-Martin Klieve wechselt bald zu den Stadtwerken. Die CDU wird seinen Posten mit einem der ihren wiederbesetzen wollen. Andreas Bomheuer, Beigeordneter für Sport und Kultur, geht Ende 2017. Die SPD wird Ansprüche anmelden auf seinen Platz. Von einem neuen Zuschnitt ist die Rede, von einem Dezernat für Kultur, Bildung und Schule. Die SPD fühlt sich unterrepräsentiert in der Dezernenten-Riege. Allein Planungsdezernent Hans-Jürgen Best ist ihr Mann. Best hat nicht vergessen, dass er den Bau-Bereich unter Schwarz-Grün an Raskob hatte abtreten müssen. Die SPD würde es rückgängig machen.

Bewerbung für andere Aufgaben

Und Raskob? Ihre achtjährige Amtszeit endet 2020. Kufen könnte ihr den Sport andienen, heißt es. Raskob soll bereits dankend abgelehnt haben.

Für sie persönlich wird vieles davon abhängen, ob die Grüne Hauptstadt ein Erfolg wird. In eigener Sache wäre das beste Werbung. Auch mit Blick, wer weiß, auf eine mögliche Anschlusstätigkeit außerhalb der Essener Stadtverwaltung.