Essen. . Zur Weihnachtsfeier der Beratungsstelle kamen an Heiligabend 200 Menschen in „Die Brücke“. Viele suchen schon lange nach einer eigenen Wohnung.

  • 1700 Menschen suchen verzweifelt nach einem eigenen Heim und scheitern auf dem Wohnungsmarkt
  • OB Thomas Kufen will das Gespräch mit den Wohnungsbauunternehmen und Bauträgern suchen
  • Betreuung der wohnungslosen Menschen wird für das Sozialzentrum immer aufwändiger

Die Situation obdachloser vor allem wohnungsloser Menschen wird in Essen immer schwieriger. Dies liegt nicht an fehlenden Hilfsangeboten der Stadt und der Wohlfahrtsverbände, sondern vor allem am inzwischen auch in der Ruhrmetropole angespannten Wohnungsmarkt im unteren Preissegment. Dies wurde bei der Weihnachtsfeier der Beratungsstelle für wohnungslose Menschen von Caritas und Diakonie im Studentenzentrum „Die Brücke“ an Heiligabend, an der gut 200 Menschen teilnahmen, deutlich. Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen, der erneut die Feier besuchte, betonte, „dass die Stadt hier mehr tun muss. Wir wollen das Wohnungsproblem verstärkt mit den Wohnungsbaugesellschaften und den anderen Bauträgern angehen. Es wird da in jedem Einzelfall Gespräche geben“.

Rund 35.000 Kontakte im Beratungszentrum

Zwar ist die Zahl von gut 1700 wohnungslosen Menschen, die im Beratungszentrum an der Maxstraße betreut werden, gegenüber dem Vorjahr nur leicht gestiegen, „aber das geht so schon seit Jahren“, berichten Petra Kuhlmann, die Leiterin des Zentrums (Diakonie) und ihr Caritas-Kollege Stephan Knorr von einer „besorgniserregenden Entwicklung“. „Es ist nicht lange her, da lagen wir bei 1300 Fällen.“ Auch sei die Betreuung deutlich intensiver geworden, „wir kommen sicher auf 35.000 Kontakte.“

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Deutlich werde das Dilemma vor allem an den Postfächern an der Maxstraße für Menschen ohne Wohnung. Hier sind es bereits über 500 Essener, die die Maxstraße immer länger als postalische Adresse führen, um Hartz IV zu beziehen, ein Bankkonto zu eröffnen, oder ihrem Arbeitgeber eine Adresse anbieten zu können – ein Anstieg um 30 Prozent. Längst nicht alle wohnungslosen Menschen zwischen Kettwig und Karnap leben nur von Transferleistungen. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt macht auch sie zunehmend zu Verlierern. „Wenn da ein Student steht, mit einer Elternbürgschaft, daneben ein syrischer Flüchtling ohne Schufa-Eintrag (Schutzgemeinschaft für Kreditsicherung, d. Red.) und dann einer von unseren Frauen oder Männer mit mehreren Schufa-Einträgen, vielleicht gerade erst aus der Haft entlassen, dann steht schon fest, in welcher Reihenfolge die Wohnung vergeben wird“, sagt Stephan Knorr: „Vermieter sind immer seltener bereit, auf persönliche Probleme Rücksicht zu nehmen.“

Gefährlicher „Drehtür-Effekt“

Leider komme es hier immer wieder zu einem „Drehtür-Effekt“, daran würde auch ein Mehr an Sozialwohnungen nichts ändern: Kaum sind die wohnungslosen Menschen in der Wohnung, verzichten sie auf die enge Betreuung durch die Sozialen Dienste, die „betreutes Wohnen“ deshalb schon seit Jahren anbieten. Viele seien dann doch mit dem selbstständigen Leben überfordert, Suchtprobleme würden wieder deutlicher hervortreten. Was folgt, ist die erneute Zwangsräumung.

Da verwundert es kaum, dass die Notübernachtungsstelle an der Lichtstraße inzwischen auf rund 15.000 Übernachtungen kommt. Sie ist für Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, die letzte Anlaufstelle, wenn bei Verwandten, Freunden oder Bekannten kein Bett frei ist. Dies gilt vor allem für Alleinstehende, während Familien mit Kindern sofort einen Platz in der Notunterkunft in der Liebrechtstraße in Überruhr erhalten.

Notsituation kann jeden treffen

Dass vor einem Verlust der Wohnung keiner gefeit sei, dies machte OB Kufen deutlich: „Niemand ist davor sicher, in eine Notsituation zu geraten.“ Er habe großen Respekt, vor allen, die sich aufrappeln: „Wir können nicht jedem sofort helfen, aber wir lassen niemand im Stich.“