Essen. . Das Haus Wendelin in Essen bietet 55 Plätze für Wohnungslose. Hier kämpft sich Sebastian Klebe (33) zurück in ein selbstständiges Leben.

  • Haus Wendelin besteht seit 29 Jahren und bietet Platz für 55 Wohnungslose
  • Betroffene sollen hier den Weg zurück in ein selbstständiges Leben finden
  • Wir haben mit einem Bewohner, dem 33 Jahre alten Sebastian Klebe, gesprochen

Ein großer Partygänger war Sebastian Klebe (30) nie. Nach Feierabend ein Bier, mal ein Mixgetränk, das war’s. Er lebte in der Nähe von Leipzig, wo er die Hauptschule abschloss und eine Lehre zum Maurer machte. Abgerutscht sei er in seiner Grundausbildung bei der Bundeswehr. Dann die eigene Wohnung, falscher Umgang und fehlende Perspektive, beschreibt er seine damalige Situation, in der er immer öfter zur Flasche griff, am Wochenende auch Schnaps trank und Marihuana rauchte. Heute ist er seit sechs Jahren trocken und lebt im Haus Wendelin, wo er als Wohnungsloser landete. In Kray kämpft Sebastian Klebe sich zurück ins selbstständige Leben.

Damals riss der Kontakt zu seinen beiden Kindern, die bei ihren Müttern leben, irgendwann ab. „Das war erst sehr schwer, aber dann habe ich begriffen, dass ich erst selbst wieder auf die Beine kommen muss.“ Als ihm dämmerte, dass er ein Problem hat, schloss er sich zunächst zwei Wochen lang ein. „Eiskalter Entzug“, sagt er. Nur seine Mutter habe ihn besuchen dürfen.

Wohnungslos und völlig überschuldet

Schließlich kehrte er Familie, Freunden und Heimat den Rücken, um einen kompletten Neuanfang zu wagen: in Essen. Eine Zeit lang schlug er sich auf der Straße durch, sammelte Flaschen und versuchte, den Tag herumzukriegen. Sein Weg nach Kray führte über die Obdachlosenunterkunft Lichtstraße über die Bahnhofsmission ins Haus Wendelin. „Als ich dort ankam, war ich am tiefsten Punkt meines Lebens“, sagt der 30-Jährige, der wohnungslos und völlig überschuldet war. Ausgaben für Handyverträge und Zigaretten hatten im Laufe der Jahre ein dickes Loch in sein Konto gerissen. Heute sind es noch 25.000 Euro.

Seit seinem Einzug nach Kray steht er nun mit seinen Sorgen nicht mehr allein da. Sein Zuhause ist inzwischen die Außenwohngruppe, etwa drei Kilometer von der Wendelinstraße entfernt. Es ist der letzte Schritt vor dem Umzug in die eigene Wohnung. Derzeit steht die Jobsuche an. Dabei hilft ein Betreuer im Jobcenter, mit Unterstützung der Schuldnerberatung steckt er in der Verbraucherinsolvenz. Bei allem, was er tut, bekommt er Hilfe von den Mitarbeitern im Haus Wendelin – wenn nötig.

30-Stunden-Woche mit einer Art Taschengeld

Hier hat er eine 30-Stunden-Woche, in der er Wände streicht oder wie kürzlich eine Terrassenüberdachung baut. Dafür gibt es eine Art Taschengeld: Von den 38 Euro in der Woche gehe derzeit allerdings noch zu viel für Zigaretten drauf. Drei Schachteln wöchentlich, das will Sebastian Klebe noch reduzieren. Immerhin muss er von dem Geld auch Duschgel kaufen oder den Frisör bezahlen.

Geschafft hat der 30-Jährige bereits viel und hält nun die nächsten Ziele fest im Blick: „Wenn ich meine Schuldenproblematik im Griff habe, möchte ich einen geregelten Umgang mit Geld lernen.“ Vor allem aber wünscht er sich wieder regelmäßigen Kontakt zu seiner Tochter und seinem Sohn. Und 2018 eine eigene Wohnung, hofft er. Dass er nie wieder Alkohol anrühren wird, davon ist er indes überzeugt und erinnert sich gleichzeitig an seinen ersten Einkauf als trockener Alkoholiker: „Es war die Hölle.“ Heute kreisen seine Gedanken nicht mehr ständig darum, „ein Kampf bleibt es jeden Tag“, sagt Sebastian Klebe. Was ihm bei diesem hilft: sein fester Wille und der Gedanke an die Kinder.

Haus Wendelin bietet 55 Plätze für Wohnungslose 

Das Haus Wendelin besteht seit 29 Jahren und bietet 55 Plätze für wohnungslose Menschen. Den Weg nach Kray finden sie über ihre Bewährungshelfer, die Justizvollzugsanstalt oder Betreuer. Einige melden sich selbst, wenn sie aus der Entgiftung kommen. Kostenträger ist immer der Landschaftsverband Rheinland.

Unter allen Bewohnern sind etwa 20 Prozent Frauen, sagt Martin Kötter. Der Sozialarbeiter leitet die Einrichtung der Diakonie, in der alle freiwillig sind. Nach einer Aufnahmephase leben die Bewohner zunächst in einer Wohngruppe, bevor sie etwa in der Außenwohngruppe darauf vorbereitet werden, selbstständig zu wohnen. In der Regel beträgt diese Zeit ein bis zwei Jahre.

Beschäftigt sind in der Einrichtung sechs Sozialarbeiter, Hauswirtschafter, Hausmeister, Ergotherapeuten und pädagogische Hilfskräfte, so dass elf Vollzeitstellen mit 15 Mitarbeitern besetzt sind. Sie sind Ansprechpartner, klären Motivation und Problemlagen, helfen bei der Tagesstruktur, etwa mit Gemeinwohlarbeit, bei Anträgen fürs Jobcenter, aber auch beim Arztbesuch.

Keine Toleranz bei Gewalt

Probleme, die die Hilfesuchenden regelmäßig mitbringen, seien fehlende soziale Kompetenz, aber auch Dinge rund um den Haushalt und Hygiene. „Wir führen die Menschen auch an Hilfssysteme heran und kümmern uns darum, dass zum Beispiel die Sucht nicht ihren Alltag bestimmt“, sagt Kötter und erklärt, dass in den vergangenen Jahren vor allem psychische Probleme und der Bedarf an Begleitung im Alltag zugenommen haben.

„Wir schauen bei jedem individuell, wo es hakt, damit er die Chance bekommt, sein Leben wieder hinzukriegen“, sagt der Leiter. Denn wenn jemand bei ihnen lande, funktionierten ein paar Dinge nicht. Bei manchen bestehe zum Beispiel die Gefahr, straffällig zu werden. Das bedeute aber nicht zwangsläufig den Auszug. Ein gewisses Maß an Straffälligkeiten wie Schwarzfahren oder Diebstahl verkrafte die Einrichtung. Bei Gewalt gibt es jedoch keine Toleranz.