Essen. Im Stadtrat formiert sich eine Mehrheit gegen den Wahlgewinner SPD und Oberbürgermeister Reinhard Paß. Nachdem die rot-grünen Kooperationsgespräche in der vergangenen Woche geräuschvoll gescheitert sind, droht den Sozialdemokraten nun ein strategisches Dilemma.
Dem neuen CDU-Oppositionsführer Thomas Kufen scheint es zu gelingen, mit FDP, Grünen und Essener Bürgerbündnis (EBB) eine Mehrheit jenseits der OB-Partei SPD zu schmieden. Diese ungewöhnliche Konstellation könnte dazu führen, dass noch im November ein neuer Kulturdezernent gewählt und über organisatorische Fragen wie Fraktionsgelder und Ausschussgrößen entschieden wird. Die SPD wäre, obwohl stärkste Fraktion, nur Zuschauer. „Paß allein zuhause”, wird auf den Rathaus-Fluren bereits gespottet.
Keine feste Mehrheitskonstellation
„Es gibt in diesem Rat keine feste Mehrheitskonstellation, sondern immer die Suche nach Vernunft- und Sachbündnissen, an der sich die CDU beteiligt”, wiegelt Kufen ab. Von einem Bündnis mit FDP, Grünen und EBB mochte er nicht sprechen, aber auch nicht ausschließen, dass ein neuer Kulturdezernent ohne Beteiligung der SPD gewählt wird. Diesen im höchsten Maße ungewöhnlichen und für die Oberbürgermeister-Partei peinlichen Vorgang hält auch FDP-Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß nicht für abwegig: „Unter Demokraten wird gesprochen und dann kann es auch zu einem solchen Ergebnis kommen.” Udo Bayer vom Bürgerbündnis nimmt für sich in Anspruch, „Teil einer Gestaltungsmehrheit” zu sein und schließt nicht aus, dass sich im Laufe der Ratsperiode immer mal wieder „Vernunftbündnisse” jenseits der größten Fraktion SPD bilden.
Die Wahl des Kulturdezernenten gilt als Prüfstein für die kreative Mehrheitssuche im Stadtrat. Die CDU tritt für eine schnelle Wahl ein, um im Kulturhauptstadt-Jahr nicht ohne Ressortchef dazustehen. Die SPD sähe den Posten lieber mit anderen Ressorts kombiniert und mit einem Kandidaten aus ihren Reihen besetzt.
Achtwöchige Koalitionsverhandlungen
Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger hofft derweil noch auf „einen größtmöglichen Konsens” unter Beteiligung der SPD. Wenn ein Dezernent ohne die größte Fraktion und Oberbürgermeister-Partei gewählt werde, könne dies „Kollateralschäden” für die gesamte Ratsperiode geben. Schmutzler-Jäger betonte, dass ihre Partei während der achtwöchigen Koalitionsverhandlungen mit der SPD keine parallelen Gespräche mit anderen Fraktionen geführt habe. Sie begegnete damit dem häufig geäußerten Vorwurf „größter grüner Biegsamkeit”. Die Partei hatte in den vergangenen fünf Jahren mit der CDU kooperiert und sich nach deren Wahlpleite am 30. August mit der SPD ins Benehmen gesetzt. Nach hoffnungsvollem Verhandlungsstart und der Wahl ihres grünen Bürgermeisters Rolf Fliß war der Vorrat an Gemeinsamkeiten abrupt aufgezehrt.