Nach dem überraschenden Aus für das rot-grüne Bündnis fragen sich jetzt viele Bürger: Wird damit Essen unregierbar? Herrscht nun fünf Jahre lang das blanke Chaos? Wie geht es nun politisch in der Stadt weiter voran? Wir geben Antworten.
Wie ist derzeit die Lage im Rat der Stadt?
Da es bei Kommunalwahlen keine Stimmenhürde mehr gibt, ist der 82-köpfige Rat der Stadt recht bunt - neun Parteien sind vertreten: als stärkste Fraktion die SPD mit 31 Sitzen, die CDU mit 26, die Grünen mit neun, die FDP und die Linke mit je fünf, das Essener Bürgerbündnis (EBB) mit drei Sitzen. Die REP, AUF und NPD haben je einen Sitz. Also hätten sogar SPD und Grüne bei einem Bündnis mit 40 Ratsleuten bei allen Sachfragen eine Stimme zu wenig gehabt. Diese wollte man sich bei anderen Fraktionen besorgen.
Wie kann Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) jetzt regieren?
Paß kann sich nicht auf ein festes Bündnis verlassen, sondern muss je nach Sachfrage wechselnde Mehrheiten im Rat organisieren. Dazu benötigt er ein hohes Maß an Verhandlungsgeschick.
Wechselnde Mehrheiten - bedeutet das nicht Chaos?
Nein, sagen übereinstimmend der Städtetag NRW und Parteienforscher wie Tim Spier von der Universität Düsseldorf. „Das ist kein Drama, aber praktisch oft ein Problem”, meint Spier. „Der Oberbürgermeister ist jetzt in einer Schlüsselfunktion, ist nun als Moderator, als kommunikatives Talent gefragt.” In mehreren deutschen Kommunen seien wechselnde Mehrheiten schon erprobt, allerdings vornehmlich in kleineren Gemeinden. Für Großstädte ist diese Lage bisher selten.
Warum macht die SPD keine Koalition mit der CDU?
Der neue CDU-Fraktionschef Thomas Kufen hat wiederholt signalisiert: Für eine Koalition mit der SPD steht die CDU nicht bereit. Die Knackpunkte seien am Ende doch die gleichen wie bei den Grünen: „Nicht finanzierbare Wahlversprechen, wie der Erhalt von Hesse, kostenloser Kita-Besuch und mehr Geld für offene Jugendarbeit.” Die CDU werde aber keine Blockadepolitik betreiben, sagt Kufen, sondern nach Sachfragen entscheiden. „Wir sind nun in einer komfortablen Situation”, freut sich Kufen - schließlich muss Paß nun künftig oft auch die zweitstärkste Fraktion einbinden.
Haben die Grünen mit dem Abbruch einen Fehler gemacht, da schon über 20 Seiten gemeinsame Inhalte mit der SPD festgezurrt waren?
Politikwissenschaftler Spier: „Das war taktisch unklug von den Grünen, weil es jetzt für sie schwieriger wird, ihre Positionen durchzusetzen - die sichere Grundlage ist weg.” Jetzt könne der Oberbürgermeister auch mit anderen Parteien zusammenarbeiten. Zum Bruch kam es vor allem im Streit um Zuschnitt und Besetzung der Dezernate durch die Grünen.
SPD-Geschäftsführer Arno Klare wundert sich weiter über den Abbruch - und gibt sogar zu: „Die hatten doch fast alle Positionen ihres Programms durchgesetzt.” Selbst Grünen-Chef Thorsten Drewes ist sich nicht sicher, ob nun Grünen-Ansichten im Rat bei wechselnden Mehrheiten besser realisiert werden als in einem SPD-Bündnis: „Das hängt von den Themen ab, bei einigen haben wir mehr Verbündete, bei anderen keinen Partner.”