Essen. . Radler sind auf Hauptstraßen oft einer hohen Luftbelastung ausgesetzt. Experten empfehlen abgelegene Trassen. Essener Fahrradverbände sind skeptisch.

  • Auf Hauptstraßen ist die Stickoxid-Belastung für Radfahrer oft hoch
  • Es stehen zu wenige verkehrsarme Ausweichrouten zur Verfügung
  • Fahrradverbände betonen:Biker wollen ihr Ziel schnell erreichen

Müssen Radfahrer in Essen mehr auf abgelegene Trassen und Seitenstraßen ausweichen, weil auf den Hauptverkehrsadern die Stickoxidbelastung (NO2) zu hoch ist? Diese Frage beschäftigt die Essener Fahrradverbände aufgrund einer neuen Studie des Instituts für Umweltphysik der Uni Heidelberg.

Zwar müssen alle Verkehrsteilnehmer, also Radfahrer wie Fußgänger und Autofahrer die dicke Luft einatmen. Aber wer radelt, braucht wegen der körperlichen Anstrengung mehr Luft. Wer mitten auf einer Hauptstraße unterwegs ist, kann den Abgasen der vorausfahrenden Autos nicht ausweichen. Und gerade an größeren Kreuzungen, wo beim Anfahren mehr Gas gegeben wird, schnellen die Stickoxid-Werte in die Höhe.

Die Heidelberger Studie, die die Luft an Fahrradstrecken in mehreren Kommunen, darunter Düsseldorf und Dortmund, bewertete, kam zum Schluss, dass Radfahrer in Großstädten, in denen die Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden, hoher, teils sogar sehr hoher Belastung ausgesetzt seien. Kurzzeitig seien sogar Stickoxid-Konzentrationen von 200 Mikrogramm festgestellt worden, in einem Fall beim Überqueren einer Straße fast 900 Mikrogramm.

Greenpeace-Sprecher: Ergebnisse lassen sich auf Essen übertragen

In Essen selbst wurde zwar nicht gemessen. Tobias Riedl, Sprecher der Umweltorganisation Greenpeace (sie hatte die Studie in Auftrag gegeben), geht aber davon aus, dass sich die Ergebnisse auf Essen übertragen lassen, weil auch hier an mehreren Messstellen die Grenzwerte überschritten werden.

Die Empfehlung der Gutachter, dass die städtische Radwegeplanung vor allem abgelegene Fahrradwege und Fahrradstraßen forcieren sollte, bringt die Essener Fahrradverbände in einen Zwiespalt, weil sie sich hier für Fahrradspuren auf Hauptstraßen stark machen. Zu was die Gutachter raten, „ist zwar ein schöner Wunsch“ ,sagt Rolf Fliß von der Essener Fahrrad-Initiative (EFI), „aber Radfahrer wollen auch schnell von A nach B kommen. Viele Ziele für den täglichen Bedarf liegen an Hauptverkehrstraßen.“

Ähnlich argumentiert Jörg Brinkmann, Vorsitzender des Fahrradclubs ADFC in Essen. Er gibt den Gutachtern zwar „im Prinzip Recht“. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass viele Radfahrer größere Umleitungen nicht akzeptieren. „Die City-Rad-Route ist zwar abseits vom Verkehr, aber auf der Schützenbahn und auf der Hindenburgstraße ist man einfach schneller“, so Brinkmann.

Verbände: Es fehle an Ausweichmöglichkeiten in der Stadt

Oft fehle es in der Stadt an Ausweichmöglichkeiten, etwa auf dem Weg von Holsterhausen in die City – oder insgesamt auf der Essener Nord-Süd-Achse, sagt Brinkmann: „Ich selbst würde auch nicht auf der Alfredstraße fahren“. Aber die benachbarte Rü sei aufgrund des starken Verkehrs keine wirkliche Lösung. Und die Wittenbergstraße und ein Teilstück der Altenessener Straße seien für Biker alternativlos, nannte der ADFC-Chef als weitere Beispiele.

Der Ausbau von Fahrradstraßen könnte aber hier und da die Situation entspannen, betonen sowohl EFI als auch ADFC. Deshalb fordern beide Verbände, dass die Stadt ihren Plan für hundert Fahrradstraßen konsequent und zügig umsetzt. „Wir haben schon über 350 Vorschläge von Radfahrern erhalten“, so Brinkmann. „Die Resonanz ist für uns unerwartet groß.“